Montag, 17. August 2009

Mal wieder ein Tag in der Notaufnahme

Es ist Sommer, das Semester ist gerade so vorbei und ich habe nichts besseres zu tun als in der Notaufnahme rumzugammeln. Moment wird sich jetzt der Leser denken, hat sie nicht diverse Blogeinträge darauf verschwendet zu erzählen wie toll und genial die Notaufnahme ist? Vollkommen korrekt. Das Problem dabei: andere Stadt, kleinere Klinik und zu schönes Wetter um sich irgendwie krank zu fühlen oder sonstigen Mist zu bauen. Ergo erwarte ich mir einen langweiligen Tag. Wenn diese 12 Stunden nicht bedeuten würden, dass ich im Winter 3 mal mittwochs frei haben werde, dann würde ich mich mit einem Roman in irgendeinen Park verkrümeln. Nun ja. In weiser Voraussicht, habe ich eine gute Freundin davon überzeugt ihren Ambutag mit mir dort zu machen, sodass bei akutem Anfall von Langeweile wenigstens der Ausweg Kaffee trinken besteht (diesen Ausweg gibt es im Krankenhaus natürlich immer, aber allein ist das ja langweilig). Der Tag scheint zu halten was er verspricht. Erstmal halb tot aus dem Bett gekrabbelt (ich brauche Urlaub), die Sonne strahlt schon um viertel vor 8 wunderbar (als wolle sie sagen „Ätsch du hockst jetzt den ganzen Tag drin!“) vom Himmel herunter. Kurz nach acht bin ich wie verabredet an der Klinik und wir machen uns auf den Weg nach drin. Ein Arzt (hat es offensichtlich noch nicht von der Nachtschicht nach Hause geschafft...) begrüßt uns mit einem hektischen „Ich kann euch nicht weiterhelfen – was wollt ihr?“. Auf den Hinweis hin „Wir sind Studenten“ werden wir in das Kabuff von Arztzimmer gelassen, wo uns schon der erste Schrecken des Tages erwartet: eine andere Studentin. Aber nicht irgendeine Studentin, sondern der Horror schlechthin: praktisch unbegabte Streberstudentin und von der ersten Minute an anstrengend. Der Versuch sich zu tarnen scheitert kläglich, denn ihr „Ich will so schnell wie möglich hier raus, wann wollt ihr gehen“ ist absolut unglaubwürdig. Bei meiner Antwort „Um 5, 9 Stunden müssen reichen“, rümpft sie die Nase. Ertappt!
However, ich beschließe mir von ihr nicht die Laune verderben zu lassen. Irgendwann um viertel vor 9 verirrt sich ein Arzt ins Kabuff (ungefähr 5 Minuten bevor wir drei dazu bereit waren einen der Spinde aufzubrechen um diesen gottverdammten fiepsenden Piepser zu zerstören).
Er stellt uns vor die Wahl: Chefarztvisite oder in der Notaufnahme rumwarten. Ich nehme – in einem Anflug von absoluter Güte – die Chefarztvisite. Ich kannte besagten Chefarzt schon aus meinem Blockpraktikum. Ein Horror für jeden Studenten, der morgens 3 Tassen Kaffe und mindestens 3 Stunden wach sein benötigt um einigermaßen zurechnungsfähig zu sein: er stellt Fragen ohne Ende, wünscht, dass man ihm die Sachen vom Verbandswagen reicht bevor er danach gefragt hat und schwebt - wie jeder Chefarzt – auf einer Wolke von Sterilität. Kurz gesagt: ich muss kurzzeitig geistig vollkommen umnachtet gewesen sein... . Aber – es ist kaum zu glauben – er stellt kaum Fragen (und diese sind beantwortbar), Der Verbandswechsel geht schnell und problemlos über die Bühne und ich muss nur einen Zugang legen. Nach einer Tasse Kaffe, O-Saft und einer Banane (ernsthaft: der Arzt mit dem ich mitgelaufen bin verdient dafür den Orden für den Helden des Tages), schauen wir uns noch einen Patienten an (Fazit: muss im OP revidiert werden), laufen illegalerweise 5 durch abgesperrte Bereiche und dann geht es zurück in die Notaufnahme. Und da erwartet mich: Studentin Nummer 4. Ihrerseits Tussi... ich frage mich ernsthaft warum die dort eine Famulatur macht. However, es ist Zeit für die erste Ratschpause – Streberchen lässt sich nicht abwimmeln. Durch absolut kryptische Gespräche und der Anweisung von einer Schwester Blut abzunehmen lässt sie sich doch noch abwimmeln. Ein Glück. Ich habe definitiv ein zu großes Schlafdefizit um die ganze Zeit nett zu ihr zu sein.
Ein neuer „Spezialautrag“ für die eine Freundin und mich: geht einen Zugang legen. Klingt einfach, ist aber kompliziert. Der Patient ist Araber (wie ich festgestellt hab eine äußerst schmerzempfindliche Gattung Mensch...) und versteht kaum Englisch. Na herrlich. Da ich diejenige von uns beiden bin die besser Zugänge legen kann, soll ich ran. Ich staue und taste ne einigermaßen brauchbare Vene. Der Patient fängt schon an zu stöhnen und das Gesicht zu verziehen als er die Nadel sieht. (Verflixt und ich hatte schon gehofft, dass auf ihn das Klischee nicht zutrifft...). Damit nicht genug. Ihm passt die Vene die ich mir ausgesucht habe nicht – als würde er etwas davon verstehen. Naja. Er zeigt mir, wo er die Nadel gern platziert hätte und ignoriert meine Aussage, dass das Rinnsal an seinem Arm nix taugen wird. Er besteht darauf. Ich steche rein (er wollte es ja nicht anders...!) und der Zugang sitzt natürlich nicht. Was für eine Überraschung aber auch. Ich punktiere (trotz Protesten) die Vene die ich von Anfang an haben wollte und die Kanüle sitzt. Dem Patienten passt das natürlich gar nicht, aber damit soll sich jemand anders rumschlagen. Not my job.
Zurück in der Notaufnahme: die beiden anderen gehen mit dem Arzt Zugänge legen und Patienten auf Station anschauen. Zeit für ein ausgedehntes Pläuschchen über Gott und die Welt. Irgendwann haben wir Hunger, beschließen aber auf die anderen zu warten (A. ist echt zu nett, ich wäre gegangen). Als sie nach einer dreiviertel Stunde immer noch nicht da sind gehen wir dann doch ins krankenhauseigene Kaffee um uns was zum Essen zu holen. Da stoßen (natürlich...) Streberchen und Tussi zu uns... . Nach ner gemütlichen Mittagspause (unser Arzt stößt auch dazu) geht es weiter. Ein besoffener Patient mit Verdacht auf Os metacarpale 1 Fraktur will gesehen werden. Wir untersuchen. Unfallmechanismus unbekannt (er war zu besoffen um sich daran zu erinnern), Schmerzstatus nicht sicher erhebbar (er war zu besoffen um sich daran zu erinnern, „aber jetzt tuts schon weh...“). Ab damit ins Röntgen.
Nächster Patient, auch betrunken. Die Fahne weht einem dermaßen entgegen, dass man er selbst aus 5 Metern Entfernung noch über der Promillegrenze war. Seine Geschichte: laut Bericht hat er sich bei ner Schlägerei an einem Bierglas geschnitten, laut eigener Aussage hat er in einen Bierkrug gehaun, der zerbrochen ist und ihn dabei 2 Strecksehnen durchtrennt hat. Mit dem RTW ist er um 4 Uhr früh in eine andere Klinik in der Nähe von München gekommen und wurde dort notdürftig versorgt. Der Arm wurde vorsorglich eingegipst und der Patient hat das Krankenhaus gegen Revers verlassen. Ein normaler Mensch würde nun nach Hause gehen, unser Patient ist wieder zurück zur Party und hat dort gefeiert und getrunken bis um halb 7 Uhr früh. Dann ist er nach Hause, hat seinen Rausch hm... ausgeschlafen wäre übertrieben..., irgendsowas in der Richtung halt und wurde dann von Mama zu uns in die Notaufnahme geschleppt um ein handchirurgisches Konsil zu bekommen.
Als nächstes hatten wir die klassische Oma mit Oberschenkelhalsfraktur (Oma Käthe läst grüßen ^^) und dann war wieder Langeweile angesagt.
Zwischendurch wurde es noch mal ganz witzig: eine Südkoreanerin wurde nach einem Fahrradsturz zu uns gebracht. A. und ich sollen sie aufnehmen. Herrlich. Wir versuchen ne vernüftige Anamnese in Englisch zu machen, was aber leider an den Sprachkenntnissen der Patientin scheitert. Es endet darin, dass wir alles was wir wissen wollen pantomimisch darstellen... Das hätte man filmen sollen – definitiv die witzigste Anamnese meines Lebens.
Nun ja... dann gings erstmal weiter mit LANGEWEILE. A. und ich haben erstmal ne Runde geratscht (uns gehen die Themen zum Glück nicht so schnell aus). Plötzlich wird unser Gespräch von einem hysteischen Klingeln unterbrochen. Das rote Telefon! (für die Unwissenden: das „rote Telefon“ nennt sich auch Katastrophentelefon und klingelt dann wenn Patienten angeliefert werden, die in den Schockraum müssen, wenn es einen Massenanfall an Verletzten (MANV) gibt oder irgenwas anderes gravierendes passiert ist). In unserem Fall war es ein Autounfall. Eine 58-jährige Frau hat ein Stoppschild übersehen, ist mit 2 Autos kollidiert und hat sich mehrmals überschlagen. Die Frau wird als ansprechbar und stabil gemeldet, Wirbelsäulentrauma nicht auszuschließen (das heißt so viel wie: Patientin ist wach und redet, atmet ohne Hilfe und die Funktion des Herz-Kreislauf-System ist ebenfalls intakt; durch den Unfallmechanismus kann es aber zu Verletzungen von inneren Organen, Lunge oder Wirbelsäule (die interessieren uns erstmal am meisten, so ein gebrochenes Bein tut zwar weh, bringt einen aber erstmal nicht um). Es wird uns angekündigt, dass die Patientin in 20 Minuten mit dem Helikopter bei uns ankommen wird. Es geht also alles Schlag auf Schlag: der Schockraum wird vorbereitet, das Team findet sich zusammen (1 Chirurg, 1 Anästhesist, 1 Radiologe, 2 Pflegekräfte) und rüstet sich mit Röntgenschürzen aus. Es wird besprochen was bisher über die Patientin bekannt ist und das weitere Vorgehen geplant (ist die Patientin schockig (= sehr niedriger Blutdruck und sehr scheller Puls) bleibt man erstmal im Schockraum und stabilisiert sie, ist sie soweit stabil (so was kann sich in sekundenschnelle ändern, deshalb verlassen wir uns nicht auf die Angaben die wir per Telefon bekommen haben) fahren wir gleich ins CT und führen die bildgebende Diagnostik durch und sehen dann weiter). Dann geht es nach draußen. Das Team und wir Studis warten (angenehmerweise in der Sonne) auf den Helikopter, der auch wenige Minuten später seinen doch ziemlich beeindruckenden Auftritt hat. Eine millimetergenaue Landung später fahren zwei Schwestern den Patienten zu uns. Es folgen der Heli-Arzt plus Assistenten. Im Schockraum erfolgt für alle hörbar die Übergabe: die Patientin war kurzzeitig bewusstlos und gibt an auf einem Auge weniger zu sehen (Hirnblutung? Gehirnerschütterung? Schädelbruch?), ist aber seitdem stabil und wach, kommuniziert sinnvoll, GCS 14. Die Stimmung im Raum lockert sich merklich auf; es wird gewitzelt und gelacht. Soweit, sogut. Wie vorher besprochen fahren wir gleich ins CT für die Bildgebung. Während die Patientin gelagert wird untersuchen Chirurg und Anästhesist die Frau kurz.
Dann heißt es: ab in den Überwahungsraum, das CT startet. Aufgrund des Unfallhergangs wird ein GanzkörperCT gefahren. Schon bei der schnellen Durchsicht wird klar: der Patienin ist nichts schlimmeres passiert. Bei einem genaueren Blick zeigt sich eine Orbitaboden-Fraktur (das ist der Boden der Augenhöhle). Aber das wars – bis auf einige kleinere Schnittwunden - schon mit den Verletzungen. Man kann wirklich nur sagen: Glück im Unglück, es hätte auch ganz anders sein können.
Kaum sind wir wieder in der Notaufnahme klingelt das rote Telefon schon wieder. Ein Suizidversuch. Ein Mann hat versucht sich mit Messerstichen in Brust und Bauch selbst zu töten. Er soll etwas verwirrt wirken und soweit stabil sein. Wieder das gleiche Procedere wie vorhin: ab in den Schockraum, besprechen was man weiß, man bereitet sich in diesem Fall auf etwas schlimmeres vor. Die Stimmung ist konzentriert und gespannt. Der Patient wird gebracht, er ist blass und klatschweißig. Erstmal wird er auf die Liege im Schockraum umgelagert und es wird eine sog. FAST durchgeführt (focused assessment with sonography in trauma; es wird innerhalb von wenigen Sekunden überprüft ob sich freie Flüssigkeit (also Blut) im Bauch oder im Herzbeutel befindet). Das scheint nicht der Fall zu sein, aber der Patient ist schockig. Zwar nur leicht, aber es ist Vorsicht geboten. Man entschließt sich ihn erstmal doch ins CT zu fahren und ein CT von Thorax und Abdomen zu machen. Schon in der Übersichtsaufnahme sieht man: kein Pneumothorax (das ist eine zusammengefallene Lunge). Sehr gut. In den Schichtbildern zeigt sich: Herz und Lunge sind unverletzt und auch im Abdomen scheint er nichts gravierendes getroffen zu haben. Es ist aber etwas Blut um die Leber Herum zu sehen und es wird beschlossen eine explorative Laparoskopie durchzuführen. Es wird eine Assistenz im OP gebraucht und A. und ich melden uns. Wir gehen nach oben und schleusen uns ein (bevor man in den OP darf muss man sich Kleidung anziehen, die für diesen Bereich ist, andere Schuhe, Haube und Mundschutz; Uhren und Schmuck sind tabu, alle Wertgegenstände werden in einem Spind gelegt).
So kommen wir im OP an. Die Anästhesistin leitet gerade die Narkose ein. Der Chirurg stößt wenig später zu uns. Ich werde für die Assistenz ausgewählt weil ich schon steril im OP war und nähen kann. Also waschen wir uns, werden steril angezogen und ab geht die Post. Glücklicherweise stellen wir fest, dass er zwar seine Leber angeritzt hat, aber es eine sehr oberflächliche Verletzung ist, die nicht weiter versorgt werden muss. Die ganze Prozedur ist nach 20 Minuten vorbei und Erleichterung macht sich breit. Ich soll die Schnitte die nötig waren um die Werkzeuge und die Camera zu positionieren zunähen. Juhu. Ich bin da leider noch nicht besonders geübt und deshalb etwas langsam, aber es wird. Währenddessen nimmt der Chirurg die Wunde im Thorax genauer unter die Lupe. Er steckt das stumpfe Ende einer Pinzette in die Wunde im Thorax. „Ich glaub da pulsiert was“, meint er und nimmt meine Hand, schaut mal eben so auf meine Finder und sagt „dein kleiner Finger sollte da reinpassen“ und schiebt meinen kleiner Finger in das Loch. Erstmal fühle ich nur die Haut, dann geht es an einer Rippe vorbei immer weiter in die Tiefe. Irgendwie krass. Als mein Finger bis zum Anschlag im Thorax steckt fühle ich das erwähnte „Pulsieren“ auch. Es ist das Herz das gegen meinen kleinen Finger schlägt. Einfach nur abgefahren und total faszinierend (Nicht-Mediziner mögen das eventuell etwas makaber finden). Nach einigen Sekunden (die mir aber wesentlich länger vorkommen) zieht er meinen Finger wieder raus und meint nur „cool, was?“ und ich kann nur zustimmen. Weiter geht es mit zunähen. Der Chirurg lässt mich machen und diktiert in Zwischenzeit draußen seinen OP-Bericht. Ich sags euch, es ist echt schlimm wenn man als einzige am OP-Tisch steht und alle anderen um einen herum drauf warten, dass man endlich fertig ist mit nähen. Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich fertig und es ist vorbei. Wir gehen in die Umkleide, schleusen aus und sind zurück in der Notaufnahme (wir haben definitiv den genialeren Fall als Tussi und Streberlein erwischt. YES!) und da es schon halb 8 ist beschließen wir, dass es nun wirklich genug ist und wir nach Hause wollen. Also holen wir unsere Logbücher und lassen die Ärzte unterschreiben, bedanken uns für den genialen Tag und gehen total gehyped nach Hause.

Dienstag, 31. März 2009

Sightseeing in Hamburg – Teil 2

Aber natürlich habe in meine Zeit in Hamburg natürlich nicht nur im Krankenhaus verbracht. Da hätte ich genauso gut in München bleiben können. Also hieß es am Wochenende auch aufstehen und Hamburg entdecken. Nachdem ich die Speicherstadt ziemlich genial fand und die auch noch nicht weit von mir weg war, musste die natürlich genauer erkundet werden. Aber erstmal galt es die Orientierung zu finden (was da wirklich nicht so einfach war!), denn ich wollte erstmal ins Gewürzmuseum. Nachdem ich meinen Stadtplan befragt hatte (was absolut NIX gebracht hat...) und auch an der Touristenkarte mit allen „points of interest“ gescheitert bin, bin ich verzweifelt in die „Hafen City Information“ reingelaufen. Die konnten mir endlich zeigen wo ich hinlaufen musste. Als ich endlich das richtige Haus gefunden hatte, galt es noch ein weiteres Hindernis zu überwinden: Shoppinggelegenheit. Ein riesen Laden mit lauter Krimskrams aus woauchimmer. Nur einmal kurz durchlaufen war die ursprüngliche Intention, wenn da nicht dieses absolut geniale Picknickset gewesen wäre. Ich musste es haben. Es war praktisch, sah gut aus UND war auf 35 € runtergesetzt.
Also erstmal den Verkäufer gesucht und so ein bisschen interessiert gefragt. Juhu. Ein Araber – mit denen kann man handeln (für Deutsche ist das ja ein Fremdwort ^^). Also mal dezent die Frage nach einem kleinen „Studentenrabatt“ gestellt. Zusammen mit was anderem wären’s 30€. Ich schüttle den Kopf. Ne, das ist mir zu viel. Wie viel ohne was anderes. So 28 € könnte man machen. Ich ziehe strategisch meine Jacke wieder an (es war verdammt heiß in dem Laden...). Ok, 25, aber mehr geht nicht. Für 20 nehm’ ich das Ding. Er druckst rum... er weiß es nicht. Ich schaue desinteressiert durch die Gegend, dann auf die Uhr, signalisiere dezent dass ich dann mal weiter müsste... Ok, dann machen wir 20, aber Sie ruinieren mich! ein großes GRINS meinerseits. Ab zur Kasse. Er packt mir das Ding noch in eine Tasche und verabschiedet sich höflich, aber kann sich das „Ein Glück, dass ich nicht mehr Kunden habe wie Sie“ doch nicht verkneifen. Gut. Das überlebt bin ich dann 2 Stockwerke nach oben gelaufen und war im Gewürzmuseum. Ich sag’s euch Leute, da müsst ihr hin (vorausgesetzt ihr interessiert euch für so was). Totale hands on experience. Säcke voll Gewürze, die man anfassen und beschnuppern kann. Außerdem gibt es noch was über die Geschichte des Gewürzhandels in Hamburg zu erfahren. Weiters werden Kuriositäten, die so aus verschiedenen Gewürzlieferungen herausgefischt wurden, ausgestellt. Alles in allem wirklich sehenswert und für 3€ kann man da auch mal hingehen. Da kann man wirklich nette 1,5 Stunden verbringen. Ein Stockwerk unter dem Gewürzmuseum befindet sich das „Afghanische Museum“. Da war ich nur sehr kurz. es ist eigentlich ganz sympathisch da. Man bezahlt seinen Eintritt (2€) und darf sich erstmal schon in ne Ecke setzen und Tee trinken. Danach startet man den Rundgang durch das Museum. Es sind verschiedenen Szenen aus dem afghanischen Alltagsleben nachgestellt, genauso wie einige Modelle von afghanischen Sehenswürdigkeiten. Außerdem kann man noch ne Burka anprobieren (ich würd irre werden, wenn ich so was ständig tragen müsste!). Mein Fazit: ganz nett, ganz interessant, aber man verpasst auch nicht unbedingt was, wenn man jetzt nicht da war. Nachdem ich da raus war, ging es weiter durch die Speicherstadt. Ich hatte mich schon gefreut, weil ich den Bus noch erwischt hatte, der mich zum Speicherstadtmuesum bringen sollte, aber da ohne Umweg hinzukommen wäre ja zu schön gewesen um wahr zu sein. Ich bin aus dem Bus ausgestiegen und voll happy nach rechts gelaufen. An ein paar Typen sie gemütlich auf nem Gerüst rumgeflackt sind vorbei (die rüden Nachrufe ignorierend) bis ich ein paar hundert Meter später feststellen durfte, dass ich prompt in die falsche Richtung gelaufen bin. Deshalb ging es volle Fahrt zurück (wieder an den Kerlen vorbei, die sich diesmal einen abgelacht haben...) und nach etwas suchen hab ich das Museum auch gefunden. Im Speicher nebenan hat an dem Tag irgendeine Band geprobt, das hat sich echt cool angehört. However. Das Speicherstadtmuseum. Auch so ein Schnäppchen. Dort gibt’s viel zu lesen und ein bisschen was zum Anfassen. Es ist recht interessant, weil man so ziemlich alles über die Entstehung des Freihafen Hamburg und der Speicherstadt, über die gehandelten Waren und über die das Leben und Arbeiten der Hafenarbeiter. Das ganze ist evtl. nicht unbedingt kindertauglich, aber es ist auf jeden Fall sehr interessant. Auf jeden Fall einen Besuch wert. Das war mir dann für einen Tag genug Sightseeing und ich hab mir dann noch nen gemütlichen Abend gemacht. Tags drauf (Sonntag) musste ich erstmal ein bisschen mein Schlafdefizit ausgleichen und bin nachmittags in die Kunsthalle. Die Kunsthalle ist ein riesig, nur so als kleine Vorwarnung. Ich habe nach einem halben Tag gerade mal die Hälfte gesehen und würde jedem den Kunst ein bisschen interessiert empfehlen für die Kunsthalle einen ganzen Tag einzuplanen. Die Kunsthalle besteht aus mehren Teilen: „die alten Meister“, „19. Jahrhundert“, „die klassische Moderne“ und die Galerie der Gegenwart. Für die ersten zwei und die Degas-Sonderausstellung hat es gerade so gereicht (aus der Degas-Ausstellung wurde ich rausgeschmissen... *grummel* 10 Minuten vor Schließung. Frechheit). Es lohnt sich nicht hier jetzt alle Details aufzuzählen. Die Sammlung ist gewaltig und absolut sehenswert; man könnte ohne weiteres mehrere Tage dort verbringen (ich hätte es gemacht, wenn es nicht noch soooo viele andere Sachen zu sehen gäbe). Der Tag war nun auch viel zu schnell vorbei, aber dem Schichtdienst sei dank hatte ich ja auch vormittags mal Zeit mir was anzusehen. Mit einer anderen Famulantin hab ich also an einem Dienstag um 10 Uhr früh den Hafen gestürmt und wir haben uns todesmutig in eine Barkasse gewagt. Wir hatten ausnahmsweise wirklich Glück mit dem Wetter (oder was man in Hamburg halt darunter versteht): kein Regen, kaum Wolken und +7°C. Juhu. Naja. Ich muss ja zugeben, so schlimm war es nicht – wenigstens nicht die ersten 20 Minuten. Die Rundfahrt war wirklich nett gemacht, wenn auch die Witze des „Kapitäns“ eine meist recht witzlose Geschichte waren, so war der Hafen doch ziemlich beeindruckend.
Die Rundfahrt dauerte etwa 1,5 Stunden und mir wurde im Nachhinein von den Ärzten in der Notaufnahme bestätigt, dass ich alles wichtige gesehen hatte. War auf jeden Fall seine 10 € wert. Aber wer im Winter bzw. Frühling (in Hamburg also immer noch Winter) so eine Rundfahrt macht, sollte unbedingt noch mal 10€ für warme Getränke einplanen. Wir waren nach der Rundfahrt noch in einer Bar (oder so was in der Richtung) am Hafen und haben uns bei einem Spiel Backgammon aufgewärmt, bevor es wieder ab zum Dienst in die Notaufnahme ging.


Montag, 30. März 2009

Meine Nachtschicht – Klappe die Erste


Meine erste Nachtschicht hatte ich geplant und bis deshalb brav um 8 Uhr zum Dienst erschienen (eine Stunde zu früh wie es sich herausstellte...). Die beiden Ärzte waren zu der Zeit mit ihren aktuellen Patienten gerade beschäftigt und nachdem ich keine Lust hatte Löcher in die Luft zu starren (und förmlich darum gebettelt habe, mit irgendwas beschäftigt zu werden) hieß es „geh doch mal zu diesem akuten Abdomen in Box 25“. Dort erwartete mich eine relativ junge, südamerikanische Patientin mit ihrem Lebensgefährten. Sie war definitiv sehr schmerzgeplagt und versuchte mir (erstmal total durcheinander) was ihr denn fehlt. Als ich begriffen hatte, dass Englisch wohl die Sprache war, mit der die Verständigung wohl am einfachsten wäre, habe ich einfach die Anamnese und Untersuchung in Englisch gemacht (ich sag’s euch... ich war in der Situation echt froh über meinen Medical English Kurs...). Sie berichtete mir von stechenden Schmerzen, die von epigastrisch in den rechten Unterbauch gewandert sind, Übelkeit mit Erbrechen und Fieber. Die Symptomatik lässt einen ja schon mal aufhorchen und in Richtung Appendizitis denken (wobei man natürlich alle anderen Ursachen für ein akutes Abdomen (Darmverschluss, Mesenterialinfarkt, Pyelonephritis (das ist zwar keine Ursache für ein akutes Abdomen, kann aber durchaus ne ähnliche Symptomatik verursachen). Bei einem akuten Abdomen sollte man natürlich diese Untersuchung besonders gründlich machen (und die rektale Untersuchung auch nicht vergessen...). Nachdem ich die Untersuchung beendet hatte (jedes Appendizitiszeichen war positiv), ging ich also zu meinem betreuenden Arzt, berichtete ihm von der Patientin und äußerte, dass ich stark auf eine Appendizitis tippe. Er meinte mit einem Augenzwinkern, dass er das auch denke. Zur Absicherung wurde aber erstmal noch ein Ultraschall gemacht (wo leider keine Kokkade zu sehen war... (das heißt: der eindeutige Ultraschallbefund, dass eine Blinddarmentzündung vorliegt hat gefehlt...). Also ordneten wir erstmal ein chirurgisches Konsil an und wandten und dem nächsten Patienten zu.
Das waren dann solche Banalitäten wie ein Herr der sich Herzrhythmusstörungen eingebildet hatte (wörtlich eingebildet) und sich dachte er lässt das „mal eben“ in der Notaufnahme abklären, weil er erst in 3 Wochen nen Termin beim Kardiologen bekommen hat... Na toll. Schrecklich unsympathischer Mensch (den ich erstmal netterweise Pieksen durfte ^^). Nun ja, dann hab ich Blut abgenommen, überblicksmäßig nach den Beschwerden gefragt (Aussage nach 5 Minuten zutexten: keine), ein EKG geschrieben und bin dann wieder abgedüst. Er war natürlich die ganze Zeit wutentbrannt, dass er 6 Stunden warten musste, weil er doch PRIVATPATIENT sei... Ich hab ihm dann erklärt, dass es in der Notaufnahme nur dringende und weniger dringende Fälle gibt und der Status Privatpatient eigentlich keinen interessiert. Das war natürlich nicht wirklich förderlich um ihn ruhig zu stellen (in dem Moment hab ich mir wirklich eine Tavor für ihn gewünscht...). Ich hab ihn dann mal ziemlich direkt gefragt ob er denkt wir drehen hier nur Däumchen, oder ob er evtl. die 15 Notarzttransporte mitbekommen hat, die in der Zeit gekommen sind. Da hat es dann wohl irgendwie doch Klick gemacht und er hat wenigstens die Klappe gehalten.
Eine weitere „Banalität“ (wenigstens für Notfallmediziner) war eine junge Frau, die äußerst besorgt über einen „Knubbel“ im äußeren oberen Quadranten ihrer Brust bemerkt hatte. Selbstverständlich kann so was tatsächlich etwas Gravierendes sein (für die Unwissenden: im rechten oberen Quadranten der Brust treten die meisten Carcinome in der Brust auf), aber es ist insofern eine Banalität, weil es sie nicht in den nächsten 24 umbringen wird. Wir konnten einwach wirklich nichts tun, als der Patientin zu raten, dass sie am Montag zu ihrem Gynäkologen gehen solle, mit den Brief den wir ihr mitgegeben haben und sich dort genau untersuchen lassen sollte.
Zurück zu unserer Appendizitis-Patientin. Das Labor war inzwischen da und passte auch zu unserem Verdacht, wenn da nicht die Chirurgen wären. Die kamen natürlich zu einem Konsil vorbei (auch noch zu zweit!!), haben die Patientin untersucht und beide waren der festen Überzeugung: „das ist doch nie ein Blinddarm!“. Also haben wir sie zu den Gynäkologen geschickt damit die sie auch noch mal untersuchen (Ovarialzysten können auch solche Symptome auslösen). Die Frau kam auch postwendend wieder zurück, mit der Aussage: gynäkologisch o.p.B.
In Zwischenzeit war ich bei einer neuen Patientin. Sehr nette Dame Mitte 50, die richtig krank aussah, auch über leicht reduzierten AZ klagte und Bauchschmerzen hatte. Erstmal wieder Anamnese, Untersuchung, Labor. Bis auf einige Vorerkrankungen, war bei der eigentlich alles paletti, bis eben auf diese Bauchschmerzen. Dann kam das Labor, das uns erstmal vom Hocker gehaut hat. CRP (= C-reaktives Protein, ein Parameter, der bei akuten entzündlichen Proessen erhöht ist) über 300 mg/l (normal ist bis 5 mg/l), Leukozyten stark erhöht (das sind die Abwehrzellen in unserem Blut), aber keine Idee was der Frau fehlen könnte. Also erstmal Röntgen Thorax um eine Pneumonie auszuschließen und diverse andere Untersuchungen um herauszufinden was ihr fehlen könnte, aber da war NICHTS. Es war wirklich zum Mäuse melken. Erstmal haben wir die aber zur Klärung stationär aufgenommen.
Und schon kam der nächste Notfall. Noch ein akutes Abdomen. Eine Ärztin. Super (Ärzte sind meist schreckliche Patienten, wie sich später noch zeigen wird). Erstmal schnell gefragt was ihr fehlt, wie sich die Beschwerden äußern, Labor abgenommen, und schnell untersucht. Verdacht auf Ileus (=Darmverschluss). Chirurgen waren dank unserer Apendizitispatientin mal wieder da („NEIN, das ist NIEEEEEE eine Appendizitis... Ihr Internisten immer“ *spöttisches Augenrollen*), die haben sich die Dame auch gleich mal angeschaut und über die Radiologie gleich mit in den OP genommen (es war tatsächlich ein Darmverschluss).
In der Zwischenzeit kamen die ersten C2ler (=zumeist obdachlose Alkoholiker, die von Passanten gefunden worden sind... (manchmal allerdings auch junge Leute, die einfach viel zu viel gesoffen haben), die nach kurzer Prüfung der wichtigsten Vitalparameter in ner Ecke (in wahnsinnig bequemer stabiler Seitenlage mit Nierenschale vor der Nase) ihren Rausch ausschlafen...).
Inzwischen war es nach Mitternacht und es wurde etwas ruhiger. Ruhiger bedeutet aber leider auch, dass man sich um Fälle kümmern muss, die man etwas vor sich hergeschoben hat. So zum Beispiel auch Herr unleserlicher Name mit seinen Vagabundenbeinen. Allein die Beschreibung Vagabundenbeine war natürlich schon sehr prickelnd, weil man sich aus der Diagnose schon mal herleiten konnte, wie der Patient denn ausschauen würde... Nun ja... es ging halt irgendwann doch nicht mehr anders, also: Handschuhe und Schürze angezogen und ab zum Patienten. Was wir initial als einen weiteren C2ler abgetan hatten (der Herr war Stammkunde...), stellte sich dann leider als was ganz anderes – und leider auch ernsthaftes – heraus. Erstmal das Labor ansehen. Auf den ersten Blick relativ unauffällig, bis der Blick dann auf die Thrombozyten fällt. Die waren nämlich praktisch nicht vorhanden. Lustigerweise hatte der Patient kein einziges Anzeichen das darauf hinweisen würde. Dass er im Krankenhaus blieben muss, das war nun schon mal klar und seine Stauungsdermatits war plötzlich auch nicht mehr so wichtig. Wir haben zunächst die weitere Diagnostik eingeleitet und ihm ein Bett auf Station verschafft. Eine Woche später hab ich dem Herrn noch mal nachgespürt. Bisher noch keine fixe Diagnose, aber Untersuchung in jede Richtung. Die Schiene die nun gefahren wurde, war in Richtung Plasmozytom... Kurz: erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Währenddessen waren wir (mal wieder) bei der Appendizitis. Die schrie inzwischen trotz Schmerzcocktail beinahe vor Schmerzen und die Chirurgen willigten (endlich) ein „da mal reinzuschauen“.
Kaum waren wir einen halben Schritt aus der Box draußen, ging der nächste Trara los: die Polizei kam (3 kleine grüne Männchen an der Zahl) mit einem Krawallmacher in Handschellen. Er sollte wohl an der Reeperbahn verhaftet werden (warum auch immer... ich wills gar nicht wissen) und hat dann einen auf sterbenden Schwan gemacht. Deswegen: ab ins Krankenhaus mit ihm, damit er für gesund (und damit verhaftungstauglich ^^) erklärt werden konnte. Dummerweise war der gute Mann dermaßen aggressiv, dass die zu dritt kaum gegen den ankamen. Ergo: ab in die Gummizelle mit ihm, die Polizisten vor der Gummizelle postieren und mit der Arbeit weitermachen (wir sind ja schließlich alle nicht wild auf ein blaues Auge). Aber die Show war gut ;)
Zwischenzeitlich kam ein höchst charmanter Patient (für alle die das jetzt nicht verstanden haben: DAS IST IRONISCH GEMEINT!!). Laut seiner Eigendiagnose (es war ein Pädiater) hatte er ein akutes Abdomen... laut unserer Diagnose, der Labor, der körperlichen Untersuchung und der Sono nicht... Die richtige Diagnose: Nephrolithiasis (=Nierensteine. Verdammt schmerzhaft und können durch den ausstrahlenden Scherz durchaus auch ne ähnliche Symptomatik wie ein akutes Abdomen machen). Nun ja. der gute Mann wollte das natürlich nicht glauben. Aber er wollte ja mehr nicht, z.B. von einer Schwester oder einer Famulantin Blut abgenommen bekommen. Das musste schon der Facharzt sein (mich hat es ja gewundert, dass er nicht verlangt hat die Chefärztin aus dem Bett zu klingeln). Der Facharzt hat netterweise 3 Versuche gebraucht um ne Vene zu treffen. Wie auch immer: Urologisches Konsil (die haben unseren Verdacht bestätigt, der Patient wollte immer noch sein akutes Abdomen...) und ab mit der Nervensäge (samt Ehefrau) auf Station.
Inzwischen war einer der „das ist nie im Leben eine Appendizitis“-Chirurgen wieder da. Ich konnte mir die Neugier natürlich nicht verkneifen und fragte nach. „Und was war es denn dann, bei Frau xy?“. Ein höchst pikierter Blick vom Chirurgen und die sehr säuerliche Aussage „ne Appendizitis“. Am liebsten hätte ich nen kleinen „in your face“-Tanz à la Scrubs aufgeführt, aber hab es mir dann doch verkniffen. (ich meine wie lustig ist das denn? eine famulantin und ein Anästhesist diagnostizieren besser als ein Chirurg... das sagt doch alles, oder?)
Irgendwann wurde es dann doch etwas ruhiger. Es kamen noch ein paar relativ unspektakuläre Fälle rein (wie z.B. eine Exsikkose), aber sonst war Ruhe im Karton.
Um 6 Uhr früh gabs dann wieder was für mich zu tun. Blut abnehmen für diverse Laborkontrollen... Ich sags euch, so eine Ballung von schlechten Venen hab ich selten gesehen. Bei der einen musste ich so lang stauen bis Irgendwas zum Vorschein kam, dass ein Kalium von 10 (für die Amateure: wenn die wirklich n Kalium von 10 gehabt hätte, dann wäre die vermutlich im Keller und nicht in der Notaufnahme gelegen...)dabei rauskam (das Blut ließ sich netterweise auch nur tröpfchenweise abnehmen, das hat zum Resultat sicher auch noch beigetragen).
Nach der Aktion war der Frühdienst da und wir haben unsere Patienten an die übergeben. Um 8 Uhr früh war dann endlich Sense. Ich bin in Richtung Bus gelaufen und um 9 endlich total kaputt ins Bett gefallen. Aber geil war’s ;)

Montag, 2. März 2009

Sightseeing in Hamburg - Teil 1

Letztes Wochenende hatte ich endlich mal Zeit zum Sightseeing. Am Samstag musste ich erstmal mein Zimmer aufräumen und Wäsche waschen, aber dann bin ich ab in die Stadt. Nachdem ich es erfolgreich geschafft hatte die ganze Woche nur in Medizinbüchern zu lesen, hatte ich natürlich keinen Plan was ich machen wollte. Also bin ich erstmal ins Zentrum gefahren und hab mich mit meinem Reiseführer in ein Kaffee gesetzt. Dort hab ich erstmal das Kapitel über die Altstadt gelesen und beschlossen eine Runde spazieren zu gehen. Dieses Vorhaben wurde durch die Tatsache, dass ich mich in der Mönckebergstraße (=große Einkaufstraße in HH) befand, etwas behindert... Nun ja... zwei Paar Ohrring, 10 Briefmarken und Postkarten und etwas Bastelkram (Perlenzeugs und Flauschestoff) später war ich dann am Rathaus. Es wird ja gesagt, dass der Rathausplatz vom Markusplatz in Venedig inspiriert wurde. Ich muss sagen, es besteht eine gewisse Ähnlichkeit, aber auch nur, wenn man an einem ganz bestimmten Punkt steht. Nach einer kleinen Fotosession am Rathaus bin ich ins Bucerius Kunst Forum, wo es momentan eine Matisse-Ausstellung zu sehen gibt. Nachdem ich eines der letzten Schließfächer ergattert hatte (juhu, keine 20 Minuten in der Schlange für die Garderobe) und mir ein Ticket gekauft hatte (5€, echt in Ordnung für so eine Ausstellung) konnte es endlich losgehen. Dachte ich wenigstens, bis mich ein älterer Aufseher auf die Größer meiner Handtasche ansprach... Nach der kurzen Diskussion mit dem Aufseher ob meine Tasche nun genau A4 Format hat oder nicht (ok, sie ist zugegebenermaßen größer... aber ich lass meine Wertsachen nicht in einem Spind ohne Aufsicht...) konnte es WIRKLICH losgehen (ich hab mich mitten in der Diskussion einfach umgedreht und bin gegangen... die Masche ist immer wieder gut, wenn man solche Leute loswerden will (klappt auch bei unerwünschten Anmachen btw)). Mal davon abgesehen, dass besagter Aufseher mir die ganze Zeit „unauffällig“ an den Fersen klebte, war die Ausstellung wirklich super. (und im Ernst: von den Bildern hätte eh keins in meine Handtasche gepasst...). Es handelt sich bei der Ausstellung um eine Sammlung von Portraits von Matisse. Das Ganze ist recht interessant zusammengestellt: es folgt sozusagen den Phasen in denen Matisse verschiedene Modelle portraitiert hat. Matisse war ja der Ansicht, dass er mit einem Modell so lange zusammenarbeiten muss bis er im Stande ist sie aus seinem Gedächtnis zu portraitieren. Da stand ein sehr schönes Zitat von ihm an der Wand in der Ausstellung, allerdings fällt es mir nicht mehr ein und ich kann es dummerweise auch im Internet nirgendwo finden ☹. Wie auch immer, die Bilder sind gut gewählt, man kann den Werdegang sehr gut verfolgen und sie sind schlicht uns einfach sehr ausdrucksstark (was nicht so einfach zu erreichen ist bei einem Portrait). Interessant ist auch, dass man noch Hintergrundinformationen zu den portraitierten Personen bekommt, die ihre persönliche Beziehung zu Matisse erklären. Prädikat: sehenswert. Nachdem es als ich aus der Ausstellung kam geregnet hat wie aus Kübeln habe ich spontan beschlossen, dass es für einen Tag reicht und ich nach Hause gehen sollte. Ich hab dann noch etwas gelesen und bin dann ins Bett.
Sonntag. Ich bin (meinem Vorsatz gemäß) früh(er) aufgestanden, hab mich fertig gemacht und bin dann ab zur nächsten Touribushaltestelle und hab mir die Touri-Stadtrundfahrt gegönnt. Das ist schlichtweg die schnellste Methode sich einen groben Überblick darüber zu verschaffen was es in einer Stadt zu sehen gibt. Die Rundfahrt war soweit auch recht informativ und der Live-Guide war auch recht lustig (nun ja... bis auf die Tatsache, dass er den selben Witz auf einer Fahrt 6 mal wiederholt hat *hust*).

Nach der Stadtrundfahrt habe ich mich von den Landungsbrücken aus in die Speicherstadt begeben. Erstmal habe ich mich vor dem Dungeon (ich muss der Tradition folgen ^^) in die Schlange gestellt (super Timing! hab nur ne halbe Stunde gewartet (für die Unwissenden: für den Dungeon (egal wo) wartet man bisweilen (auch im Winter) bis zu 1,5 Stunden)). Die Leute die nach mir kamen hatten nicht mehr so viel Glück. Die mussten über eine Stunde warten. Als es dann endlich losgehen konnte, wurde ich mit 34 anderen Leuten und einem Schausteller in einen Raum gepfercht (der Schausteller war ja ganz niedlich... nun ja... die Seite von seinem Gesicht die nicht in Fetzen runterhing jedenfalls ^^) und der werte Herr hat sich erstmal dran gemacht ein Kind namens Bjane (kein Plan ob das jetzt ein Mädchen oder ein Junge war) zu triezen. Es endete jedenfalls damit, dass das Kind allein in einen dunklen Gang gehen sollte und heulend zu seiner Mama wollte *g*. Eigentlich war die ganze Szene ja recht witzig, weil er uns erst angewiesen hat „niemals als erster durch eine Tür zu gehen. Dafür ist ja Bjane da!“ und dann kam noch der Hinweis „auch niemals als letzter durch eine Tür zu gehen. Aber wenn Bjane noch verwertbar sei, könne man ihn/sie (er war sich beim Geschlecht wohl auch nicht so sicher...) in dem Fall ja zurückreichen und auch dafür verwenden“. Die Begeisterung des Kindes konnte man dann sehen, als er/sie als erstes durch eine Tür gehen sollte sehen. Nach einem kleinen Abstecher in die Folterkammer, wo ich von dem „Foltermeister“ sogleich als „Kollegin“ identifiziert wurde, weil ich wusste wie so ein Foltergerät funktioniert mit dem man Leuten im Mittelalter die Zunge herausgerissen hat... (eigentlich ist es doch völlig logisch dass das Ding heiß sein muss, damit das klappt... die Bezeichnung als „Kollegin“ fand ich daher doch etwas überqualifiziert...), ging es vor’s Gericht wo ich prompt als Hexe verurteilt wurde (das passiert mir ständig... warum bloß???). Von dort aus ging es ins Laboratorium wo eine „Leiche“ auf dem Tisch lag. Nun ja... die kleine (etwa 8) neben mir war davon irgendwie doch etwas beängstigt, aber meine Aussage, dass sie keine Angst haben solle, weil ne echte Leiche anders aussieht, hat sie nicht wirklich beruhigt. (Die Mutter ist mir ihrer Tochter dann ein Stück weiter weg gerutscht...). Vom dann erscheinenden Studiosus haben wir einige Informationen über die Pest erhalten (beängstigenderweise hätte ich den Vortrag durch einige wesentliche mikrobiologische Fakten ergänzen können...). Lustigerweise hat er nach den Erstsymptomen gefragt, die ich (alle anderen haben irgendwie nichts gesagt und der hat doch drauf gewartet, dass ihm jemand einen Einstieg bietet... → Mitleid meinerseits...) ihm dann irgendwann auch gesagt habe. Dummerweise war die Liste so vollständig, dass er erstmal leicht aus dem Konzept gebracht wurde. Als er den Faden wieder gefunden hatte, war’s aber doch noch ganz witzig. An dem großen Brand von Hamburg 1842 vorbei, ging’s ab zu Störtebeker (ein Pirat der der Hanse den Kampf angesagt hatte und sein Unwesen trieb bis er überlistet und hingerichtet wurde), der von uns „befreit“ werden sollte. Nachdem unser Schlachtruf „Nöööööö“ war und das Piratenlied („Wir kommen aus dem Norden – Wir saufen und wir morden – wir waschen uns NIEEEE – Piraterieeeeee!!) mit dem Enthusiasmus eines Altenheims auf Valium gesungen wurde, war die Mission nicht von Erfolg gekrönt. Schlussendlich wurden wir dann noch gehängt, bevor wir wieder in die Freiheit entlassen wurden. Alles in allem ne ganz lustige Sache. Natürlich nichts wahnsinnig pädagogisch wertvolles, aber es hat Spaß gemacht. Nachdem alle anderen Museen in der Speicherstadt nur noch kurz geöffnet hatten, habe ich kurzerhand beschlossen ins Miniatur Wunderland zu gehen. Wem der Name nichts sagt: das ist die größte Modelleisenbahn der Welt. Natürlich war auch hier wieder Schlange stehen angesagt. Allerdings kann ich mir wirklich schlimmeres vorstellen als dort in der Schlange zu stehen: man wird mit Süßigkeiten und Getränken (gratis!) versorgt bis man seine Karte hat und dann geht’s in die Ausstellung und die ist die perfekte Welt für große und kleine Kinder. Auf 1100 m2 sind hier Modelleisenbahnlandschaften in mühevoller Kleinarbeit entstanden. Es ist wirklich der Wahnsinn was die Leute, die das ganze bauen hier geleistet haben. Man kommt aus dem Staunen wirklich kaum noch heraus. Es gibt überall was zu entdecken und man kann sich wirklich die Finger wund knipsen. Besonders putzig fand ich, dass sogar „Minispinde“ mit Ladegeräten für Handys und Digicams zur Verfügung gestellt wurden. Am lustigsten anzusehen sind allerdings die Besucher. Das sind einmal die Familien mit Kindern, wo Papa und Sohn am meisten Spaß an der Sache haben, dann sind da die Touris, die das einfach nur von ihrer Liste streichen wollen und dann sind da noch die Männer, ledig, Mitte 30 ohne Kinder, aber mit Riesenkameras, die knipsen wie blöd. Die beste Show von allem sind aber die Knöpfchen. Es gibt da so Knöpfchen, auf die man drücken kann, wo dann irgendwas irgendwo in der Landschaft passiert. Eben diese Knöpfchen sind das Objekt der Begierde eines jeden Besuchers, insbesondere aber der Männer, Mitte 30 ohne Tarnkind. Das ist wirklich göttlich anzusehen, wie die da stehen und wie die Geier darauf warten, dass das Lämpchen wieder grün leuchtet, damit sie das Knöpfchen drücken können und irgendwo in der Landschaft irgendwelche Lichter angehen (wahlweise auch: ein Auto anfängt zu fahren, irgend ein Lift sich bewegt oder ähnlich banale Sachen). Dummerweise war es etwas voll aber ich kann den Besuch des Miniatur Wunderlandes nur empfehlen. Es ist Balsam für das innere Kind. So. Teil 2 in Sachen Sightseeing gibt es dann irgendwann diese Woche, wenn ich mir was Neues angesehen habe. Ich hatte diese Woche in meiner Famulatur viel zu tun, sodass hauptsächlich Entspannung angesagt war.



Samstag, 21. Februar 2009

3 Patienten – ein Symptom

Dienstag Mittag in der Notaufnahme. Drei Patientinnen kommen vorbei, das Symptom: Bauchschmerzen.

Patientin Nummer 1, 17 Jahre alt, Typus Vicky Pollard auf türkisch. Sie krümmt sich vor Schmerzen, während sie auf der Liege liegt. Bei der Anamnese finde ich heraus, dass sie seit nachts um 3 regelmäßig erbricht und Schmerzen im rechten Unterbauch hat. Bei der körperlichen Untersuchung ist sie nicht besonders kooperativ (Morbus bosporus ahoi), aber ich bekomme trotzdem, das heraus was ich rausbekommen will: positives Blumberg-Zeichen, McBurney und Lanz positiv (in nicht schlau bedeutet das: positive Zeichen, die auf das Vorhandensein einer Blinddarmentzündung hinweisen).
Frage auf eine mögliche Schwangerschaft wird von der Mutter vehement verneint (eine türkische Mutter von ihrer Tochter zu trennen, ist schwerer als nen Sack Flöhe hüten...). Aber nachdem man davon ausgeht, dass der Patient immer lügt, hab ich dann vorsichtshalber doch noch nen Schwangerschaftstest zu den Urinstix aufgeschrieben. Warum? Muss ja nicht der Blinddarm sein, könnte ja zum Beispiel auch eine ektope Schwangerschaft sein (= eine Schwangerschaft, die außerhalb vom Uterus stattfindet). An so was muss man natürlich auch denken. Der Test war dann übrigens negativ.
Wie auch immer. Zugang legen, Abdomen Labor anordnen, ab ins Ultraschall mit der jungen Dame. Ultraschall ist soweit zwar (noch) unauffällig, aber mein betreuender Arzt wünscht sich noch eine digitale rektale Untersuchung bei der Patientin. Ich versuche zwar ihn diskret darauf hinzuweisen, dass ich das noch nie gemacht habe, aber er meint nur: „Einmal ist immer das erste Mal“, erklärt mir kurz worauf ich achten soll und dann ab dafür. Tollerweise stehen die 4 Brüder der Patientin im Zimmer (allesamt mindestens 2 Köpfe größer und doppelt so breit wie ich...) denen ich erklären muss, dass sie mal „voll krass nach draußen verschwinden müssen“, weil ich noch ne Untersuchung bei ihrer Schwester machen muss. Bis die Herrschaften sich mal nach draußen bewegen braucht es natürlich einiges an Überzeugungskraft. Dass die Mutter danach immer noch im Zimmer war, muss ich doch nicht erwähen, oder? (ernsthaft: siamesische Zwillinge trennen ist ein Witz gegen die Frau...!). Die digitale rektale Untersuchung ist unauffällig, aber das Labor spricht klare Worte: Entzündungsparameter sind hoch. Ein chirurgisches Konsil wird angeordnet, der Herr kommt, schaut sich unsere Patientin an und bestätigt unseren Verdacht: Appendizitis (= Blinddarmentzündung). Die junger Frau wird noch am selben Tag operiert.

Patientin Nummer 2, 21 Jahre alt, ebenfalls türkischer Abstammung, aber bei weitem kultivierter (wenn ich das mal so sagen darf...). Liegt auf der Liege, ihr ist schlecht, sie hat Bauchkrämpfe und erbrochen. Nachdem sie morgens erbrochen hatte, ist sie umgekippt, hat sich den Kopf angeschlagen und laut der Mutter (ja, auch hier gibt es eine, allerdings ist die nur besorgt und nicht praktisch an die Tochter angenäht. Außerdem beteuert sie bei der Frage nach einer mögliche Schwangerschaft nicht, dass ihre Tochter noch Jungfrau sei...) gekrampft.
Gleiches Spiel. Anamnese (Bauchkrämpfe, Erbrechen, Durchfall, seit ca. 15 Stunden). Erstmal geht unser Verdacht auch in Richtung Appendizitis, dieser bestätigt sich aber nicht. Schwangerschaftstest ist negativ, das Labor sagt aber, das Mädchen ist krank. Außerdem sind das Umkippen und der Krampfanfall ein Grund zur Besorgnis. Meningismuszeichen sind negativ (as ist was gutes), der Neurologe, der zum Konsil hinzu gerufen wird findet bei der Untersuchung auch nichts auffälliges. Nachdem die wichtigsten Ursachen für ein akutes Abdomen ausgeschlossen sind und die Symptome passen wie die Faust aufs Auge, lautet die Diagnose: Norovirus.
Die junge Frau darf mit Buscopan und Vomex in der Tasche und der Empfehlung wiederzukommen, wenn sie noch einen Krampfanfall haben sollte, gehen.

Patientin Nummer 3, 54 Jahre alt, kommt ebenfalls mit Bauchschmerzen (aber ohne anhängliche oder weniger anhängliche Mutter). Sie hat die Schmerzen schon länger und die Befürchtung dass sie Krebs haben könnte. Erstmal beruhigen wir sie und erklären ihr, dass es viele Ursachen für Bauchschmerzen gibt. Dann Untersuchen wir sie. Nuchal fallen verhärtete, nicht druckverschiebliche Lymphknoten auf (für die die es nicht wissen (können): schlechtes Zeichen). Im Ultraschall ist nix konkretes als Ursache zu erkennen, aber toll ist das keineswegs. Weil uns die ganze Geschichte verdächtig vorkommt (und das Ultraschall keine Erleuchtung bringt) ordnen wir (neben dem Abdomen Labor) ein Ganzkörper-CT an. Die Laborwerte sind nicht so prickelnd, aber die Bilder sagen dann alles. Eine ganze Truppe Ärzte steht dann um den Bildschirm rum und ist erstmal fassungslos. Ihr könnt die Bilder zwar nicht sehen, aber ehrlich, das war nicht schön. Leber, Lymphknoten, wahrscheinlich auch das Pankreas (=Bauchspeicheldrüse) und Knochen: alles voll mit Tumoren. Echt heftig... Primarius ist vermutlich das Pankreas, aber das hilft der Frau auch nicht mehr viel, denn die einstimmige Meinung im Arztzimmer ist: da ist nicht mehr viel zu machen.
Sowas will der Patientin erstmal beigebracht werden. Krebs wird erstmal nicht wirklich in den Mund genommen, aber wir erklären ihr, dass wir in den Bildern einige Auffälligkeiten gesehen haben und dass wir sie deswegen zu den Onkologen verlegen werden, wo weitere Diagnostik gemacht werden muss um das ganze abzuklären. Auf die Frage hin ob es Krebs ist, lautet unsere Antwort: es ist sehr wahrscheinlich. Die Frau ist einigermaßen gefasst und erklärt uns, dass sie das schon befürchtet hat. Keine schöne Sache, wirklich nicht, aber wie es in der Notaufnahme leider ist: ein Patient ist abgeklärt und schon warten 5 neue, also muss man schnell weiter. Keine Zeit für großartige Tröstungsaktionen.

Da zeigt sich mal wieder: ein Symptom kann alles oder nichts bedeuten. Eine Diagnose kann wahnsinnig befriedigend sein, wenn dem Patienten geholfen werden kann, wenn aber nicht, dann nagt es doch an einem, besonders weil man mit ziemlicher Sicherheit sagen kann: wenn Patientin 3 früher zum Arzt gegangen wäre, dann hätte ihre Geschichte ganz anders enden können...

Mittwoch, 18. Februar 2009

Von Brandschutzübungen, Durchlauferhitzern und schwierigen Patienten

Hallo ihr lieben!
Ich habe Day 2 hinter mir und auch schon wieder mordsmäßig viel erlebt. Aber ich fange wohl besser von vorne an.
Nachdem ich am Sonntag mein Zimmer bezogen hatte, ist mir aufgefallen, dass ich ja nichts zum Essen habe, also musste da was her. Meine Mitbewohnerin hat mir also den Weg beschrieben und dann ging es auf zum Penny Markt. Aber nicht irgendein Penny Markt, nein DER Penny Markt auf der Reeperbahn ist gemeint. Über den gab es schon x Dokus und sonst was im Fernsehen, wo natürlich gezeigt wurde wie wahnsinnig assi die Leute in dem Penny sind usw. ich dachte ja eigentlich das wäre der übliche seriöse RTL2 Journalismus (also intelligent wie n Meter Feldweg und wahrheitsgetreu wie die Schlagzeilen in der Bild...) Nun ja... ausnahmsweise hat diese Doku mal Tatsachen geschildert... Es geht in dem Penny wirklich zu wie im Fernsehen. Also so richtig mit Pennern (jede Menge davon), die vor einem in der Schlange stehen, ausländischen jugendlichen, die an der Kasse ihre Taschen ausräumen müssen und so weiter. Muss schon sagen: leichter Kulturschock.
Wie auch immer ich habe es überlebt ;) Nun ja, das hat mir für den Abend an Überraschungen eigentlich schon gereicht, aber damit war es natürlich nicht genug. Zu allem Überfluss hat nämlich der Durchlauferhitzer in meiner WG seinen Dienst quittiert und es gibt jetzt nur noch Eiswasser. Herrlich...
Dann war auch schon Montag. Der Tag hat mit einer wunderbaren eiskalten Dusche begonnen (sehen wir es positiv: danach kann es fast nur besser werden). Ich bin irgendwie in meine Klamotten gekrabbelt hab mich ausgehfertig gemacht (zu Deutsch: ganz viel Abdeckstift, damit die Augenringe, wenn schon nicht weg, dann wenigstens dezenter sind) und habe mich dann auf den Weg zur S-Bahn gemacht. Vor der Tür hat mich erstmal ne leere Flasche Jägermeister willkommen geheißen... Ich bin dann also zur S-Bahn gelaufen (eigentlich trifft geschlittert das ganze ja besser... Schnee-Regen-Matschepampe-Wetter halt) und zum Bahnhof Altona gefahren. Dort durfte ich mich mit einem Fotoautomaten (die schrecklichsten Fotos meines Lebens und ich übertreibe nicht) einem seeeeeeeeeehr seltsamen HVV-Mitarbeiter und nem verspäteten Bus rumschlagen. Als der Bus nach einer gefühlten Stunde endlich da war, war ich schon leicht hibbelig ob ich’s noch pünktlich schaffe... Die Antwort: nein. Dummerweise gibt es 2 Haltestellen mit AK Altona im Namen und ich bin natürlich an der falschen ausgestiegen. Erstmal in die eine Richtung gelaufen: Krankenhaus... Fehlanzeige. Noch mal zurück, Krankenhaus wieder Fehlanzeige. Also doch in die Richtung laufen, wo der Bus weitergefahren ist. Gute Idee. Schemenhaft
konnte man irgendwann so ein Riesenhaus erkennen (es war sehr neblig) und tatsächlich, das war das Krankenhaus. Nur war dummerweise kein Eingang in Sicht. Nach ner geschlagenen viertel Stunde war ich dann endlich im Büro der Studiensekretärin. Die hat uns erstmal die grundsätzlichen Sachen erklärt und uns dann auf eine Odyssee durchs Krankenhaus geschickt. Erstmal ab zum Betriebsarzt, da wurde ich dann „untersucht“ (=Impfpass und Unterlagen vom Münchner Betriebsarzt kopieren). Dann ging es weiter zur Brandschutzübung. Bitte... Leute... wer von euch musste vor Antritt der Famulatur eine Brandschutzübung machen?? Diese „Veranstaltung“ war derart begehrt, dass die Gruppe gleich gesplittet wurde und ich war natürlich in der Gruppe die später drankam. Das bedeutete eine halbe Stunde Smalltalk und warten. Das gute an der Smalltalksession: die eine Famulantin gehörte auch in die ZNA und war da schon etwas bewandert. Nach einer einschläfernden halben Stunde, in der ich über Evakuierungspläne, Feueralarme, verschiedenfarbige Mülleimern und (wie könnte es anders sein?) Nadelstichverletzungen informiert wurde ging es erstmal auf Station (JUHU!). Die restlichen Tagesordnungspunkte der Odyssee konnte ich überspringen, weil wohl für Famulanten der Notaufnahme andere regeln gelten :D.
Kaum eine halbe Stunde auf Station wurde ich schon zu meinem ersten Patienten geschickt. Glücktreffer: dementer ging’s nämlich gar nicht... Der hat während ich gefragt habe tatsächlich vergessen wo er Schmerzen hat. Nach einer viertel Stunde habe ich dann das Handtuch geschmissen und war von meinen anamnestischen Fähigkeiten absolut nicht mehr überzeugt. Deprimiert habe ich dann meinem betreuenden Arzt berichtet, dass ich absolut NICHTS für ihn habe, was der nur schmunzelnd zur Kenntnis genommen hat (irgendwie hab ich immer noch das Gefühl das war Absicht): Er ist dann NATÜRLICH zu dem Patienten gegangen und wusste innerhalb von 5 Minuten was los ist. Völlig demotiviert bin ich mit den anderen Famulantinnen was essen gegangen. Gestärkt bin ich dann wieder auf Station angekommen und frisch ans Werk. Nächste Patientin und wieder ein Griff ins Klo. Dachte ich. Alte Frau, somnolent, hat auf keine einzige Frage geantwortet. Anamnese war natürlich Fehlanzeige, die Untersuchung ergab, dass irgendwas im Abdomen nicht passt.
Also erstmal die Patientin beim betreuenden Arzt vorstellen, dann das weitere Vorgehen besprechen und dann n bisschen was über die Patientin rausfinden. Das bedeutete das Pflegeheim anrufen, den Hausarzt anrufen, alte Arztbriefe auftreiben etc. War ganz witzig vom Hausarzt als Frau Kollegin angesprochen zu werden ^^. Nach diversen Röntgenbildern, Ultraschalluntersuchungen und einer weiteren körperlichen Untersuchung war dann klar: die Frau hat ne Pneumonie... Herrlich... und was ist mit dem Abdomen?!? Nix... (zu meinem Trost: sowohl mein betreuender Arzt, als auch der Oberarzt hatten erstmal auch nicht auf ne Pneumonie getippt...)
Dann war mein erster Tag mit 2 Überstunden auch schon vorbei und ich hab beschlossen noch ne Runden in der Stadt zu drehen. Es war schon relativ dunkel, aber egal, war trotzdem schön.
So. Ich verschwinde jetzt ins Bett, damit ich morgen fit bin wenn der Elektriker aufkreuzt wegen dem Durchlauferhitzer. Drückt mir die Daumen, dass wir bald mal wieder warmes Wasser haben ☺
Bis zum nächsten Eintrag!

Sonntag, 15. Februar 2009

Von Klausuren, Ausstellungen und Reisevorbereitungen

Hallo Leute!
Mein erster offizieller Blogeintrag ☺
Nachdem ich ja am Freitag den Horrorklausurtag schlechthin hatte (3 Klausuren in 4 Stunden...). Der Rest des Tages war dann wirklich sehr nett. Ich war mit Freunden was essen und bin ein bisschen in der Stadt unterwegs gewesen (Bilanz: 2 Paar neue Ohrringe, diverse Sachen von Lush und ein neues Buch). Darauf folgte die schönste Post-Klausur-Beschäftigung überhaupt: ABHEFTEN.
  • Bilanz nach dem MiBi-Block: 2 volle Ordner.
  • Bilanz nach Modul 1: 3 volle Ordner.
Ich glaube das sagt eh schon alles. Nun ja. Ich wollte an dem Abend ja eigentlich aufräumen (schlussendlich habe ich den Abwasch gemacht...) und dann ins Bett. Nun ja, stattdessen habe ich diversen Mist online angeschaut und rumgegammelt und bin irgendwann ins Bett.
Gestern war ich dann netterweise bei der Post, um meinem Bruder ein paar Sachen zu schicken (was mich eine Stunde gekostet hat...). Wie auch immer, das Gute an den 45 Minuten in der Warteschlange (wie war das gleich noch mal mit Servicewüste Deutschland?) war, dass ich spontan doch noch beschlossen habe in die Kandinsky Ausstellung im Lenbachhaus und im Kunstbau zu gehen.
Gute Idee zum falschen Zeitpunkt mit den falschen Klamotten (hatte einen Rock an; zu meiner Verteidigung: alle Hosen waren gerade frisch gewaschen auf dem Wäscheständer) kann ich dazu nur sagen. Die Warteschlage war schier endlos... Ich hab 1,5 Stunden gewartet, damit ich endlich eine Karte bekommen habe. Aber die Zeit in der Warteschlange war recht witzig. Hinter mir war ne Familie aus Hamburg (wie lustig), die mich gleich mal mit Sightseeing-Tipps versorgt haben, neben mir stand ne Medizinerin und vor mir so n paar Damen mittleren Alters, die echten Unterhaltungswert hatten.
Aber, da ja Valentinstag war, war es natürlich unvermeidlich, dass auch ein totaaaaaaaaaaaaaaaaal verliebtes Pärchen vor mir stand (er hat ihr am Valentinstag einen Antrag gemacht... und sie wollen am 09.09.09 heiraten... wie romantisch... das wollte ich DEFINITV nicht wissen...). Nun ja: so viel zum Thema: ich ignoriere den Valentinstag.
Nachdem ich nach den eineinhalb Stunden in der Kälte (es hat auch noch geschneit...) gestanden hatte, hielt ich ENDLICH meine lang ersehnte Karte in der Hand. Also bin ich erstmal ins Lenbachhaus gegangen, wo das gesamte druckgraphische Werk von Kandinsky ausgestellt ist. Ich muss ja zugeben, dass ich normalerweise nicht so der Fan von Holzschnitten und so weiter bin, aber das war echt super. Insbesondere durch die Tatsache, dass das Gesamtwerk zusammengetragen wurde und gemeinsam ausgestellt wird, macht die ganze Ausstellung spannend. Man kann nämlich den Wandel von Kandinsky von der Darstellung realer Sachen zur absoluten Abstraktion perfekt verfolgen. Außerdem sieht man auch, wie der sich in jeder Technik weiter entwickelt hat und was er mit welcher Technik bezwecken wollte. Fand ich wirklich höchst interessant. Außerdem hatte man noch die Möglichkeit, die ständige Ausstellung zu besichtigen (Werke aller Künstler des blauen Reiters). Die ist zwar auch beeindruckend, aber nachdem ich die Ausstellung schon zweimal gesehen habe, konnte ich da getrost etwas zügiger durchgehen.
Dann ging es weiter in den Kunstbau. Dort werden bis zum 8. März die Gemälde von Kandinsky ausgestellt. Die Bilder wurden aus aller Welt zusammengetragen (vor allem aus New York und Paris) und werden erstmals in dieser Kombination ausgestellt. Dabei handelt es sich ausschließlich um großformatige Werke. Die Bilder wurden in einer (relativ) chronologischen Reihenfolge arrangiert, was ich für eine sehr sinnvolle Idee halte. So kann man Kandinskys künstlerischen Wandel perfekt verfolgen. Sehr interessant ist, was für „Stilsprünge“ er in teilweise sehr kurzer Zeit gemacht hat. Besonders in den früheren Werken ist das sehr deutlich zu beobachten. Die Werke die hier gesammelt ausgestellt sind, sind – kurz gesagt – der absolute Wahnsinn. Wirklich eine gelungene Auswahl, aber das müsst ihr euch wennschon selbst ansehen.
Mein Fazit: die 1,5 Stunden in der Kälte waren das Erlebnis auf jeden Fall wert. Ich kann euch nur empfehlen euch die Ausstellung anzusehen.
Irgendwann um 18.00 Uhr war ich dann wieder zu Hausen. Meine to do Liste:
  • Wohnung aufräumen
  • Schreibtisch entrümpeln
  • Bad putzen
  • meinen ganzen Kleinscheiß für Hamburg zusammen tragen
  • Wäsche waschen und aufhängen
  • mit meiner Familie telefonieren
  • essen
  • Bügeln
  • meine Klamotten packen
  • alles in meinen Koffer und die Reisetasche bekommen
  • Schlafen
Ich habe all das in rekordverdächtigen 8 Stunden erledigt. Was natürlich bedeutet, dass ich irgendwann nach 2 Uhr früh ins Bett bin.
Nachdem ich das Taxi für 6.10 Uhr bestellt hatte, war das eine sehr kurze Nacht. Ich hab mich aus dem Bett gequält, mich fertig gemacht, die letzten paar Kleinigkeiten eingepackt und bin meine Checkliste durchgegangen. Als das aller erledigt war, war es halb sechs. „Verdammt, zu früh aufgestanden“, habe ich mir da erstmal gedacht (ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr mich das geärgert hat...) und dann beschlossen, das es der perfekte Zeitpunkt ist noch schnell Staubzusaugen. Ich wette meine Nachbarn hätten mich gelyncht, wenn sie mich in die Finger bekommen hätten.
Der Taxifahrer war pünktlich da (der unsympathischste Taxifahrer den ich je erlebt habe...) und hat mich zum Bahnhof kutschiert. Dort habe ich mich noch mit Zeitschriften eingedeckt und bin dann schon mal in den Zug eingestiegen.
Ich hatte eigentlich den Vorsatz wach zu bleiben und mir Deutschland anzusehen. Der Vorsatz hat bis zum Bahnhof Augsburg gehalten, danach bin ich gnadenlos eingeschlafen. Zwischendurch bin ich natürlich doch mal aufgewacht und hab n paar Fotos gemacht, aber nur um 2 Minuten später wieder einzuschlafen. Ich glaube meine Sitznachbarin fand mein Verhalten durchaus amüsant.
In Hamburg angekommen hatte meine Reisetasche die grandiose Idee, dass es doch bestimmt sehr lustig wäre, wenn sie ihren Henkel durchreißen ließe. Ich kann nur sagen: SCHEIß IDEE LIEBE REISETASCHE.
Nachdem ich mein ganzes Zeug irgendwie zum Taxistand verfrachtet habe, wurde ich direkt zu meiner Unterkunft kutschiert (einmal quer über die Reeperbahn ^^). Dort angekommen wurde ich auch sehr nett von meiner Mitbewohnerin willkommen geheißen und hab mein Zimmer bezogen. Ich muss hier definitiv putzen (mit wurde zwar per Mail mitgeteilt, dass aufgeräumt wurde, aber aufgeräumt geht anders!), aber ansonsten ist es ein schönes Zimmer, kann mich nicht beklagen.

So. Ich schnappe mir jetzt meinen Reiseführer und lese mir mal durch womit ich meine Zeit hier so verbringen werde.
Bis zum nächsten Eintrag!