Freitag, 22. April 2011

22.04.2011: Weiter nach Bahir Dar

Nachdem wir den Weg zurück zu unserem Hotel gefunden haben (irgendwie wollten die Bajaj-Fahrer irgendwo anders hin...), unser Gepäck eingesammelt hatten und in das nächste Bajaj gestiegen waren, war unser nächstes Ziel der Busbahnhof.
Jana und ich hatten das erste Bajaj genommen und waren mindestens 20 Minuten vor den Jungs da. Ich muss sagen: diese 20 Minuten zähle ich definitiv zu den 20 längsten Minuten meines Lebens.
Wir standen einfach so da, am Straßenrand mit unserem Gepäck, mitten im wildesten Treiben in Gondar und ganz weit weg von jeglichen Touristengeschichten. Dementsprechend wurden wir von jeder 0,5. Person angesprochen. Das bedeutet, wir wurden angebettelt („Gimme money!“), angesprochen („You wanna Ethiopian husband??“) und angegafft („you, you, you, you, youuuuuuuuuuu!“). Außerdem versuchte man uns alles mögliche zu verkaufen (Soft, Kaugummis, Schuhe, Bananen, Mangos....) und uns wurde 100 Mal angeboten mit irgendwelchen Leuten nach Bahir Dar zu fahren.
Ja, das auf dem Minibus ist ein Schaf (die Beine zusammengebunden auf dem Dach festgezurrt)
Letzteres war ja unser Ziel, aber eben nicht ohne die Jungs. Also hieß es abwarten, höflich alle irgendwie abwimmeln und hoffen, dass der Bajaj-Fahrer der Jungs sie endlich abliefert.
Ich sag‘s euch, das war wirklich nichts für meine Angst beklaut zu werden...
Als die Jungs endlich da waren, dauerte es etwa 10 Sekunden bis wir auf dem Weg zu einem Minibus waren, der uns nach Bahir Dar bringen sollte.
Im Bus wurden vom Fahrer erstmal die Leute durch die Gegend gescheucht, damit wir die besten Plätze hatten (das war mir wahnsinnig unangenehm). Dann konnten wir noch ein wenig das Treiben auf dem Busbahnhof beobachten, bevor wir uns auf den Weg machten.
Wobei „auf den Weg machen“ vielleicht doch erstmal ein wenig zu viel gesagt ist. Der Fahrer schien nicht so ganz Herr des Wagens zu sein, oder nicht Herr der Kupplung. Sein Fahrstil war doch ein wenig holprig, was doch ein wenig beunruhigend war. Wir kamen jedenfalls nur knapp bis zum Stadtrand, als wir eine sehr schnelle Kehrtwendung machten, die im Hof eines Mechanikers endete. Wir scheinen kaputte Autos anzuziehen.
Einige Zeit später legte ein weiterer Minibus neben uns eine Vollbremsung hin und unter lautem Gerumpel und Geklapper wurde unser Gepäck von einem Dach zum anderen gehievt und mit Seilen wieder festgezurrt.
Unser Minibus war nicht so modern... der Ersatz leider auch nicht...
Als auch alle Fahrgäste im „neuen“ Auto platzgenommen hatten, ging die Fahrt weiter bzw. los.
Die Straße nach Bahir Dar ist erstaunlich gut ausgebaut und so war die Fahrt tatsächlich einigermaßen erträglich. Man wird zwar trotzdem ordentlich durchgeschüttelt, aber ich habe hier schon wesentlich schlimmeres erlebt.
So ging die Fahrt, dann recht zügig weiter, auch wenn wir immer wieder stehen blieben, um neue Leute einsteigen zu lassen. Hier möchte ich anmerken: neue Leute einsteigen lassen, bedeutet nicht unbedingt, dass Leute vorher aussteigen. Ich hatte ja geglaubt, dass wir voll besetzt (9 Leute in einem 9Sitzer) losgefahren sind. Wie naiv. Irgendwann auf halber Strecke nach Bahir Dar waren wir 17 Leute in diesem Minibus! Zu allem Übel begann es dann auch noch zu regnen und das ganze Gepäck wurde zu uns 17 vom Dach ins Auto geschafft. Nett ausgedrückt war es kuschelig...
Dankenswerterweise sind einige von den 17 Leuten nach einem Drittel der Strecke wieder ausgestiegen, das Wetter wurde auch wieder besser und das Gepäck durfte wieder auf‘s Dach.
Die ausgestiegenen Passagiere wurden im nächsten Ort von ein paar betrunkenen Bauern ersetzt, die aber im übernächsten Ort schon wieder aus dem Auto geschmissen wurden.
Nach ein paar weiteren „minor disturbances“, kamen wir nach über 3 Stunden endlich in Bahir Dar an. Nachdem wir absolut keine Lust hatten noch großartig nach einem Hotel zu suchen, folgten wir einfach dem „Geheimtipp“ des Lonely Planet (was bedeutet ungefähr jeder, der mit dem Lonely Planet reist war dort...) und ließen uns ins Ghion Hotel bringen, wo wir auch zu Abend gegessen haben (leckeres Essen, inkompetente Kellner).
Das Ghion Hotel liegt sehr idyllisch direkt am Tana See. Die Zimmer sind ziemlich heruntergewohnt, aber wenigstens halbwegs sauber und (mein persönliches Highlight) es gibt warmes Wasser. Ich habe in Äthiopien definitiv schon schlechter gewohnt. Gekostet haben die Zimmer 350 ETB pro Nacht, was doch ziemlich teuer ist für Äthiopien. Die Lage am See ist es aber wert. Man muss aber sagen: die Angestellten sind alle (insbesondere die Kellner!!) vollkommen inkompetet. Seid gewarnt.

22.04.2011: Gondar 2

So, Tag 2 in Gondar. Wir haben beschlossen uns einen gemütlichen Tag zu machen und nicht in die Simien Mountains zu fahren. Warum? Das ist einfach zu erklären. Ich habe die Geschichte von dem „Guide“ gegoogelt, weil ich ein komisches Gefühl bei der Sache hatte. Schon beim 3. Link wurde ich fündig. Es wurde von „Guides“ berichtet, die einem Halbtagesausflüge in die Simien Mountains anbieten, um die Gruppe zu füllen. Wenn man zusagt, dann sind anscheinend die Mitreisenden plötzlich weg und der Trip wird teurer und die Herrschaften finden wohl auch noch viele andere Gründe um noch mehr Geld zu nehmen als abgesprochen. Vorsicht Falle!
Als der Guide mich später am Nachmittag also angerufen hat, habe ich angefangen unangenehme Fragen zu stellen, woraufhin ich ausweichende Antworten bekam und dann brach auch noch die Verbindung zusammen. Seltsam. Einige Stunden später rief er wieder an, ob wir nun mitkommen würden. Ich vertröstete ihn auf später, damit ich mich mit den anderen absprechen konnte. Eine halbe Stunde verging, da klingelte das Telefon wieder. Wieder der Guide. Ich hatte den anderen berichtet was ich rausgefunden habe (unter anderem auch, dass es gar nicht in die Simiens geht, weil man allein einen halben Tag fahren muss um zu den Ausläufern zu kommen) und wir haben beschlossen nicht mitzufahren. Genau das habe ich dem Guide dann auch erklärt. Dann ging es aber rund. Er hätte den Engländerinnen schon gesagt dass wir kommen, er will jetzt das Geld von uns und und und. Er wurde richtig ausfallend! Daraufhin habe ich ihm erklärt, dass ich der Geschichte nicht ganz traue und wir so erst Recht nicht mitkommen würden. Er fing an weiter zu fluchen. Da reichte es mir aber endgültig und ich legte auf. Er hat im Laufe des Abends immer wieder versucht mich zu erreichen, aber ich habe einfach nicht mehr darauf reagiert.
Ein bisschen hart, könnte man jetzt sagen. Vielleicht war es ja doch ein ehrlicher Mensch. Das hatte ich kurzzeitig auch gedacht, aber nachdem wir heute mehrfach mit der identischen Masche angesprochen wurden, glaube ich das nicht.
Nachdem wir wieder im Telecafé gefrühstückt und ein wenig nach Souvenirs geshoppt hatten, war unser nächstes Ziel das Gondar Museum. Uns wurde in der Touristeninformation empfohlen das Museum zu besichtigen, weil es sehr interessant sei. Dazu kann ich nur sagen: interessant geht anders! Zunächst darf man 50 ETB Eintritt berappen, um dann Highlights wie Haile Selassie's Esstisch zu sehen. Das war ja noch halbwegs in Ordnung, aber als wir in ein paar Hinterzimmer geführt wurden, dachten wir der Führer wollte uns verarschen. In einem Raum stand eine vollkommen durchgesessene, alte Couchgarnitur, in einem anderen befand sich ein altes, kaputtes Badezimmer. Anscheinend Hinterlassenschaften der Italiener. Spannend...
Wenn ihr vor habt, euch dieses Museum anzusehen, kann ich nur empfehlen es zu lassen. Selbst umgerechnet 2 € Eintritt waren zu viel für diesen „Schmarrn“.
Alte Möbel von der italienischen Besatzungsmacht. Ja, um das zu sehen haben wir Geld ausgegeben...

Damit hatten wir alle Sehenswürdigkeiten in Gondor abgehakt und Zeit ein wenig zu bummeln. In Gondar sieht man die Spuren, die die Italiener in den 1930er Jahren hinterlassen haben sehr deutlich, vor allem aber in der Architektur. Beim Laufen durch die Stadt fühlte ich mich immer wieder an Stadtviertel in Italien erinnert, ganz besonders aber an der Piazza (da wo auch das Telecafé ist).

Die Piazza. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich glauben wir sind in Italien.  Wenn man ganz genau hinschaut, dann sieht man rechts das Telecafé!



Weil wir Zeit hatten und Gondar noch ein wenig genießen wollten, sind wir noch einmal zum Goha Hotel gefahren. Die Aussicht ist einfach zu schön dort! So konnten wir Gondar bei einem Mittagessen und Kaffee noch ein wenig auf uns wirken lassen, bevor wir uns auf den Weg nach Bahir Dar machten.

Et voilà: die Aussicht vom Goha Hotel (im Bild: der Gemp)

Donnerstag, 21. April 2011

21.04.2011: Gondar

Wer hat eigentlich so frühe Flüge erfunden? Ich hasse ihn! Nach einer viel zu kurzen Nacht und dem Frühstück in einem Burgerladen, waren wir wieder am Flughafen. Unglücklicherweise hatte der Burgerladen keine Kaffeemaschine und ich war auf schwerem Koffeinentzug. Wie kann man mir so etwas nur antun? Eine Qual!
Der Flughafen in Addis ist ein wenig technologisierter als der Flughafen in Jimma. Deshalb waren die Sicherheitskontrolle und der Checkin wie aus Europa gewohnt. Sogar zugeteilte Sitzplätze haben wir heute. Toll!
Bevor wir zu unserem Gate durften, mussten wir und unser Handgepäck durch eine weitere Kontrolle. Danach ging die Warterei los, wie immer wenn man fliegt.
Unser Flugzeug war wieder eine Propellermaschine und ich bin noch vor dem Abheben eingeschlafen. Kurz vor dem Tana-See wurde ich von einer Stewardess mit Essen geweckt. Kaffee wäre mir lieber gewesen. Aber so konnte ich noch ein wenig die Landschaft unter mir auf mich wirken lassen.
In Gondar gelandet haben wir unser Gepäck vom kürzesten Gepäckband der Welt geholt und dann versucht ein halbwegs günstiges Taxi in die Stadt zu finden. Billiger als 50 ETB pro Person ging es leider nicht, aber man kann nicht alles haben.
Wieder erwartete uns die Hotelsuche. Im Reiseführer hatten wir das „Terrara Hotel“ gefunden, das als günstig und gut deklariert wurde. Mit 75 ETB für ein Einzelzimmer mit Dusche ist es tatsächlich günstig, aber gut ist was anderes. Das Niveau entspricht in etwa der Halleluja Pension in Abra Minch und auf noch eine Nacht in der ich nicht schlafen kann weil ich Angst habe, dass mir eine Kakerlake in den Mund krabbelt, hatte ich echt keine Lust.
Nach ein wenig Überzeugungsarbeit ließen die anderen sich breit schlagen, sich noch 1 – 2 andere Hotels anzusehen. Zurückkommen kann man immer noch. Gleich neben dem „Terrara Hotel“ steht die „Crown Pension“. Eine nette kleine Pension, mit großen, schönen, sauberen Zimmern und Bad mit warmem (!!) Wasser. Der Luxus kostet 270 ETB für das Doppelzimmer, aber war es wert. Die Inhaber sind sehr bemüht und die Lage ist auch sehr gut.
Das geklärt haben wir uns auf Futtersuche begeben, die uns ins Telecafé geführt hat. Ein Tipp von einer aus unserer Gruppe, die vor uns in Gondar war. Ich kann den Tipp nur weitergeben. Das „Ful“ ist super, auch sonst haben sie gutes Essen, der Kaffee ist lecker und die Bedienung freundlich. Auch die Preise sind nicht übertrieben.
An der Post wurden wir, während die Jungs Briefmarken kaufen waren, von einem Typen angesprochen. Ob wir geplant hatten in die Simian Mountains“ zu fahren. Das hatten wir natürlich nicht, aber er machte uns ein interessantes Angebot: er habe da schon zwei englische Mädels, die morgen für einen halben Tag in die Simien's fahren wollen und noch Mitfahrer suchen. Kostenpunkt in etwa 250 ETB pro Person und Treffen heute Abend um 17 Uhr um alles weitere zu besprechen. Das klang schon irgendwie cool, aber in einem halben Tag Simien's und zurück? Man kann es sich ja mal anhören und dann entscheiden was man macht.
Unser nächstes Ziel war das Goha Hotel. Das teuerste Hotel der Stadt und definitiv nicht unbedingt in unserer Preisklasse, aber von dort hat man eine wahnsinns Aussicht über Gondar. Ich kann nur empfehlen für einen Kaffee oder ein Essen dort hin zu fahren und den Blick von der Terasse aus zu genießen.
Zurück im Zentrum, machten wir uns auf den Weg zum Gemp. Die Palastanlage ist eine der Sehenswürdigkeiten, die man in Gondar gesehen haben sollte. Sie wurde von 6 aufeinanderfolgenden Kaisern erbaut und ist von einer Schutzmauer umgeben. In der riesigen Anlage gibt es auch einiges zu sehen, zum Beispiel die sechs Schlösser die von den Kaisern erbaut wurden. Die Tradition in Äthiopien war zu dieser Zeit, dass der Sohn, nachdem er dem Vater auf den Thron gefolgt war, ein neues Schloss errichtet und dieses mit seiner Familie bezieht. Die restlichen Verwandten lebten nach der Fertigstellung aber weiterhin im alten Palast.
Nur ein kleiner Ausschnitt vom Gemp. Das Gelände ist riesig!
Hier die Tourifacts zum Gemp: Eintritt für den Gemp und das Bad des Fasilidas beträgt 100 ETB. Für die Leute die nicht zu dumm sind ihren Studentenausweis mitzunehmen kostet er nur 75 ETB. Außerdem hat man am Ticketoffice auch die Möglichkeit einen Guide zu buchen. Das sind keine Pseudoguides, wie sie einem in Addis und auch in anderen großen Städten hier gern begegnen, sondern staatlich angestellt und geprüfte Führer, die wissen wovon sie reden und gut Englsch sprechen. Für 150 ETB gibt es den Führer für den Gemp unf für 300 ETB einen Führer für den Gemp, das Bad des Fasiladas und die Debre Selassie Kirche. Wir haben zusammengelegt und den Guide für alle 3 Sehenswürdigkeiten genommen. Meiner Meinung nach hat sich das auf jeden Fall gelohnt. Hier ist es nicht so, wie bei uns, dass überall Informationstafeln stehen, die einem erklären was man so sieht und selbst die beste Beschreibung im Reiseführer ist nicht so hilfreich wie ein Guide.
Der Gemp ist auf jeden Fall beeindruckend. Ich finde die Bezeichung „Camelot Äthiopiens“ ist nicht ganz unberechtigt. Auch sind die Palastanlagen wirklich bemerkenswert, auch wenn sie teilweise zerfallen sind. Das hat man einerseits der Zeit, andererseits, aber leider auch den italienischen Belagerern zu verdanken, die beim Verlassen des Landes vieles zerstört haben. Vieles wurde in jahrelanger Kleinarbeit durch die UNESCO restauriert. Schritt für Schritt wird man durch Jahrhunderte von äthiopischer Geschichte geführt und lernt welche Intrigen teilweise hinter den Palästen stecken. Da hat der eine Bruder den anderen vergiftet um an die Macht zu kommen, die Mutter den Sohn über Jahre als Regentin vertreten, weil der Vater zu früh gestorben ist und und und. Ich liebe solche Geschichten; sie hauchen den Steinen leben ein.
Witzig ist auch, dass es im Gemp eine antike Sauna und auch ein Jacuzzi gab, direkt neben dem Löwenkäfig.
Damit dieser Bericht nicht absolut unlesbare Längen annimmt, höre ich besser auf vom Gemp zu erzählen und mache weiter mit dem Bad des Fasilidas.
Nach einer kurzen Bajaj-Fahrt kommt man bei dieser Anlage an. Vor ihr befindet sich ein alter Marschierplatz aus den Zeiten der DERG. Drinnen erwartet einen ein riesiges Becken (ca. 70 x 40 m), in dessen Mitte ein Haus steht. Das Becken ist leer und wird heutzutage nur einmal im Jahr zur Feier der Taufe Jesus gefüllt. Im 17. Jahrhundert wurde es von Fasilidas als Schwimmbad genutzt. Auch dieses Bauwerk ist beeindruckend. Insbesondere die Technik die dahinter steckt, finde ich spannend. Das Becken wird nämlich über einen umgeleiteten Fluss gefüllt (damals wie heute) und ist auch leicht abschüssig gebaut, sodass das ganze Becken durch ein einziges Loch geleert werden kann. Wenn das Bad heute gefüllt wird, dann dauert es 3 Wochen bis es komplett gefüllt ist.
Das Bad des Fasilidas - das Wasser Reicht bis zum Balkon, wenn das Bad gefüllt ist
Etwas ganz besonderes sind auch die Bäume die die Anlage umgeben. In das Gebäude, das mitten im Bad steht, kann man übrigens nicht gehen, weil es bis heute als religiöses Gebäude genutzt wird.
Wie genial sind die Bäume??
Nach einer weiteren Fahrt mit dem Bajaj, waren wir an der Debre Selassie Kirche angekommen. Bereits der zweite Versuch heute die Kirche zu besichtigen, weil sie früher am Nachmittag für einen Gottesdienst geschlossen war (heute ist ja Gründonnerstag...).

Ein paar orthodoxe Frauen nach der Messe
 Wir kamen gerade Recht, denn in dem Augenblick wo wir aus dem Bajaj stiegen, strömte eine Menschentraube aus der Kirche. Da haben wir aber Glück gehabt. Die Debre Selassie Kirche ist besonders bekannt für ihre traditionellen Malereien (denen werden wir in Bahir Dar auch noch mehrfach begegnen). Diese Malereien sind ganz anders, als das was man aus Europa kennt. Vom Stil her sind sie vielleicht am ehesten noch mit der Romanik zu vergleichen (relativ einfache Formen, keine Perspektive, aber viel bunter). Auch die Technik ist eine ganz andere als in Europa's Kirchen. Die Bilder werden auf Tüchern gemalt, die dann mit einer Art Kleber auf die Wand aus Lehm und Dung aufgebracht. Die Farben werden aus verschiedensten Pflanzensäften gewonnen (Pigmente hat man erst viel später kennengelernt). Interessant. Während unserer Besichtgung, ging die Messe übrigens weiter, denn in der Karwoche wird praktisch durchgebetet. Hier haben sich übrigens auch die Jahre als Ministrantin ausgezahlt: ich konnte die ganzen Geschichten zu den Wandmalereien erzählen.

So, hier noch ein Bild von der Decke der Kirche und jetzt höre ich endlich auf zu schwafeln!


Mittwoch, 20. April 2011

20.04.2011: Los geht’s!

Spontantrip Episode 2! Es ist echt lustig wie sich auf dieser Reise das Reisen immer so zufällig ergibt. Erst die Mursi und jetzt dieser Trip. So perfekt kann es manchmal laufen.
Nach einem Vormittag zwischen packen, in der Stadt letzte Besorgungen machen und Mitbringsel besorgen, haben wir noch mit den anderen zu Mittag gegessen und sind dann zurück in unser Hotel um unser Gepäck zu holen.
Abgeholt wurden wir von zwei Bajajs und auf ging es zum Flughafen. Auf der Fahrt dorthin lieferten sich die Fahrer ein kleines Wettrennen, was für uns wirklich amüsant war.
Am Jimma Airport angekommen wurden wir zuerst mehrfach von Polizisten/Soldaten kontrolliert. Etwas mulmig war mir dabei, denn die waren alle mit Gewehren ausgestattet.
Wie auch immer, der Check-In war lustig. Zuerst zeigt man diesen Wisch aus dünnem Papier vor und man wird auf eine Liste eingetragen, dann wird das Gepäck auf eine Waage gestellt, die vermutlich aus den 50ern ist und gewogen. Danach reicht man seinen Koffer über einen Tisch an einen Mitarbeiter weiter, der fordert dass man alles aufschließt. Dann wird ohne Rücksicht auf Verluste alles durchwühlt. Sehr schön... Aber was soll man machen, es gibt kein Röntgengerät, das das Gepäck scannt. Nachdem das alles passiert ist und man seinen Koffer irgendwie wieder zugesperrt hat (wozu habe ich eigentlich ordentlich gepackt??) wird er auf einen Trolley verfrachtet und darf da warten.
Man selbst mach auch selbiges und setzt sich ins Freie. Das ist wirklich ganz schön, noch ein bisschen draußen zu sitzen, sich seine Schuhe putzen zu lassen und zu ratschen.
Die Gepäckwaage...

und die Gepäckaufbewahrung ^^
Ungefähr eine Stunde vor Abflug ging es zur Sicherheitskontrolle, die aus 2 Tischen und einem Metalldetektor besteht. Die Tasche wird komplett ausgeräumt und jedes einzelne technische Gerät muss an und ausgeschaltet werden. Sehr seltsam. Nachdem man durch den Metalldetektor ggangen ist wird man noch intensivst abgetastet, bevor man seine Sachen wieder abholen darf.
Ab dann hieß es nur noch auf das Flugzeug warten. Jimma ist nur ein Zwischenstopp den der Flug von Arba Minch nach Addis Abeba einlegt.
Als unser Flugzeug endlich da war (eine kleine Propellermaschine) und alle eingestiegen waren, konnte es auch gleich weitergehen. Wart ihr übrigens schon mal in einem Flugzeug mit freier Platzwahl? Ich kann das jetzt von mir behaupten.
Der Blick über Jimma war echt schön, aber auch relativ schnell wieder unter den Wolken verschwunden, aber eine halbe Stunde Wolken ansehen ist jetzt auch erträglich, denn dann setzten wir auch schon zum Landeanflug an und sahen Addis von oben,
Nachdem die üblichen Formalitäten erledigt waren und wir „unseren“ Taxifahrer Check angerufen hatten, war das nächste Ziel ein Hotel und dann etwas zu Essen zu finden. In Bole (ein Stadtviertel von Addis, das nahe am Flughafen ist) war nichts gutes und günstiges zu finden, so fiel unsere Wahl auf das Taitu Hotel. Das älteste Hotel in Addis ist recht zentral gelegen und preislich in Ordnung. Wir haben 300 ETB für einen Twin Room mit Bad gezahlt. Sauberkeit ist etwas grenzwertig, aber für ein oder zwei Nächte kann man damit schon leben. Großes Plus: es gibt gratis WLAN.
Um 7 wurden wir wieder abgeholt und in ein Restaurant gefahren. Wir alle hatten Lust endlich mal wieder etwas anderes zu essen als Injera und deshalb ging es zum Chinesen (China Bar & Restaurant). Man würde es bei diesem einladenden Namen nie denken, dass man hier gut essen kann, aber so ist es! Definitiv empfehlenswert.
Nach einem gemütlichen und leckeren Abendessen ging es zurück hat Hotel. Hauptbeschäftigung: skypen! Das erste Mal seit ich in Äthiopien bin Skype funktioniert und das musste ich selbstverständlich ausnutzen.
Wie auch immer, ganz zu spät darf es nicht mehr werden, denn unser Flug nach Gondar geht morgen um 7.30 Uhr und wir werden um 5.30 Uhr abgeholt.
Daher: Gute Nacht, nächster Bericht folgt aus Gondar!


Dienstag, 19. April 2011

19.04.2011: Überraschung!

Der Tag heute war wirklich anstrengend, weil ich mich mal wieder hinter SPSS geklemmt habe und Daten für das CBTP eingetippt habe. Ich war um halb 6 richtig kaputt, vor lauter Codes und und Fragebögen. Umso genüsslicher habe ich mich in einen der Sessel in der Staff Lounge gefläzt und angefangen ein wenig zu schreiben und mich auf Jana's und mein Geburtstagsessen mit den anderen gefreut.
Allerdings hatte ich Kohldampf ohne Ende und habe mir dann doch noch etwas zum Essen bestellt. Kaum hatte ich 2 Gabeln gegessen, kam Moritz total hektisch angerannt: „Komm mal schnell mit! Wir haben ein kurzfristiges Treffen für das CBTP. Alle Supervisor sind schon da und die Team Leader und so weiter. Die wollen entscheiden wann das Abschluss-Symposium stattfinden soll!“ „Hä???“ „Jetzt komm! Jana wartet auch schon!“
Hastig habe ich noch ein paar Happen in mich reingestopft, meinem Sesselnachbar Geld gegeben, meine Sachen gepackt und bin Moritz nachgerannt.
Jana war total angenervt („Warum müssen die Weißen da jetzt mitentscheiden???“) und war auch gerade dabei alles in ihren Rucksack zu stopfen. Moritz lief voraus und meinte nur ständig „jetzt beeilt euch mal!“ und schon war er im Stafflounge-Gebäude. Wir sind ihm also nach und durch die Tür, in der er verschwunden war.
„Hm, düster hier. Wo ist denn das Meeting?!“, dachte ich noch leicht irritiert, als plötzlich ein Raum voller Menschen anfing „Happy Birthday!“ zu singen.
Eine Überraschungsparty? Im Ernst?? Mit Geburtstagskuchen und Kerzen und Essen und allem drum und dran. Das war echt wie im Film!
Die Überraschung war echt gelungen! Wir hatten beide nicht die leiseste Ahnung und waren vollkommen perplex.
Die Party war auch wirklich lustig und hat Spaß gemacht. Essen und tanzen zu Musik die ich zuletzt vor etwa 10 Jahren gehört habe (das Highlight: Backstreet Boys – Backstreet's back). Einfach zum schießen!
Die weiteren Details (betrunkene Äthiopien sind wirklich witzig) erspare ich euch bzw. erzähle ich euch, wenn man sich sieht. Kurz gesagt war es einfach eine wahnsinnig schöne Überraschung und ein gelungener Abend.
Nochmal ein riesiges Dankeschön an alle Beteiligten!

Montag, 18. April 2011

18.04.2011: Geburtstag

Wieder einmal bin ich an meinem Geburtstag im Ausland. So langsam wird es wirklich zur Gewohnheit.
Eigentlich hatte ich ja nicht so richtig Lust auf meinen Geburtstag, aber der Tag war echt gut!
Zum einen hat meine CBTP-Gruppe beschlossen, dass sie auf ihre Examen lernen wollen und deshalb habe ich heute frei und zum anderen haben sich heute so einige Pläne ergeben.
Jana und ich sind nämlich dank des freien Tages spontan in die Stadt gefahren, um uns am Ethiopian Airlines-Schalter nach Flügen zu erkundigen. Ja, zugegebenermaßen haben wir einen winzigen Lagerkoller momentan. Außerdem ist die Ausicht, dass hier in Jimma über die Osterfeiertage nichts im CBTP passieren wird, ein wenig deprimierend. Hier rumsitzen und Däumchen drehen während wir reisen könnten, ist eine etwas deprimierende Vorstellung!
Deshalb also zum Ethiopian Airlines Büro und nach Flügen fragen. Nur zur Information, damit wir am Nachmittag vielleicht mal mit den anderen reden können ob wir vielleicht wirklich was machen.
Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!
Unsere erste Reiseroute (Jimma – Addis – Bahir Dar und zurück) war schon ausgebucht, eine andere Route (Ziel: Gondar) für den gewünschten Tag auch nicht mehr zu bekommen. Wir Schlauköpfe wollen ja auch genau über Ostern verreisen. Dann der Durchbruch! Es gäbe die Option:

20.04.2011 Jimma – Addis Abeba
21.04.2011 Addis Abeba – Gondar
zwischendurch mit dem Bus von Gondar nach Bahir Dar (da wollten wir eh auch hin!)
24.04.2011 Bahir Dar – Addis Abeba
25.04.2011 Addis Abeba – Jimma

Klingt super!! Das müssen wir nachmittags gleich den anderen erzählen!
ABER... es gibt nur noch 6 Plätze. Das hat die Entscheidungsfindung ganz erheblich beschleunigt. Zuerst haben wir Moritz und Daniel angerufen, dass die gleich bei uns vorbei schauen sollen (sie waren eh gerade unterwegs in die Stadt) und dann ging die Grübelei los. Können wir das wirklich machen? Was kostet es (alles zusammen 2940 ETB)? Was sagen unsere Gruppen?
So viele Fragen!
Als erstes haben wir alle unsere Team Leader angerufen und mit denen das Programm der Woche besprochen. Als es offensichtlich war, dass am Wochenende nichts laufen wird, war die Entscheidung auch schon fast getroffen.
Als die Bezahlung auch geregelt und sichergestellt war, dass alle Flüge zur Verfügung stehen, war klar: wir fahren!
Wie guuuuut! Ihr könnt euch das ja nicht vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe! Ich bin seit ich weiß, dass ich für den Austausch angenommen wurde, davon ausgegangen, dass ich nicht reisen kann, weil die Zeit zu knapp sein wird. Und jetzt klappt es plötzlich doch und auch noch an meinem Geburtstag! Ich hätte Purzelbäume schlagen können! Einfach der Wahnsinn!
Alles weitere war schnell geregelt. Die Supervisor wurden auch noch um Erlaubnis gefragt (wir wollen den Austausch ja nicht gefährden, es kommen ja auch noch Leute nach uns) und die „offiziellen“ Stellen informiert.
Nachdem alles abgesegnet war, war mein Geburtstag wirklich absolut perfekt, daran konnten auch 30 Fragebögen die in SPSS eingegeben werden mussten nichts mehr ändern.

Sonntag, 17. April 2011

13.04.2011 – 17.04.2011: CBTP 2

Nach nur vier Tagen ist die Zeit in den Dörfern schon vorbei. Sehr schade, weil es wirklich interessante Tage waren und wir eigentlich alle geglaubt hatten, dass diese Phase des CBTP länger dauern würde. Stattdessen sind zwei Wochen für die Datenauswertung eingeplant.
Jeden Morgen wurden wir von einem Bus in unsere Kebele gebracht, dabei auch Essen und Getränke für alle.
Fragebögen wurden verteilt und danach sind wir alle ausgeschwärmt. Ich musste mich selbstverständlich an jemanden dran hängen, weil meine paar Wörter Amharisch niemals für diesen monströsen, 9seitigen Fragebogen reichen würden.
Der weitere Ablauf erinnert etwas an ein Dasein als Vertreter. Man klopft an jede Tür und fragt nach Frauen in der passenden Altersgruppe.
Wir wurden von allen sehr freundlich begrüßt und uns wurde immer eine Sitzgelegenheit angeboten. Die Frauen haben auch immer geduldigst unsere 1000 Fragen beantwortet und das obwohl wir sie allzu oft von ihrer Arbeit abgehalten haben.
Bei der Beantwortung der Fragebögen konnte ich leider nicht allzuviel helfen, aber das war ja von vornherein klar. Umso interessanter fand ich es einen Einblick zu bekommen wie die Leute hier leben. Bosa Kito ist – glaube ich wenigstens – eine ziemlich bunt gemischt Kebele. Von vollkommen ungebildeten Tagelöhnern bis zum Ingenieur findet man hier alles. Und man kann schon beim Betreten der Wohnung sagen, ob es eine reiche oder eine arme Familie ist. Das kann man allein schon an der Anzahl der Möbelstücke sehen. Was jedes Haus und jede Wohnung gemeinsam haben, ist dass alles ordentlich aufgeräumt ist und immer versucht wird, es so heimelig wie möglich zu machen, auch wenn die Mittel noch so begrenzt sind.
Kaffeezeremonie
Auch die Gastfreundschaft und Offenheit der Leute hat mich beeindruckt. Ich würde bestimmt nicht zwei Fremde einfach so in meine Wohnung bitten und denen Kaffee und Essen anbieten und auch noch meine Zeit mit einer Befragung verschwenden lassen. Die Leute hier schon. Eine Frau (die hatte den süßesten Sohn!), hat sogar eine kleine Kaffeezeremonie für uns abgehalten.
Am dritten Tag waren wir statt im Dorf in einer Grundschule und haben dort die Kinder untersucht. Wir hatten ein bestimmtes Kollektiv aus jeder Altergruppe zu untersuchen und sollten die Kinder mehr oder weniger von Kopf bis Fuß untersuchen. Es war sehr spannend zu sehen wie eine Schule in Äthiopien aussieht. Leider ist es auch schwer vorstellbar SO zur Schule gehen zu müssen. Klassen mit 30 – 50 Kindern sind die Norm, drei Kinder arbeiten an einem Tischchen und mehr als eine Tafel im Raum gibt es nicht.
Auch die Untersuchungsbedingungen fand ich schwierig. Ich habe mich bei den höheren Klassen einteilen lassen, weil die Schüler dort schon Englisch lernen und ich so unabhängig meine Kinder untersuchen konnte. Diejenigen, die nicht untersucht wurden, hätten zwar Pause gehabt, sind aber in der Klasse geblieben, weil es ja so viel spannender ist uns zuzusehen. Ich habe mehrere Mädchen untersucht, die um die 14 Jahre alt waren und die vor einer solchen Meute so zu untersuchen, dass es ihnen nicht peinlich ist, war praktisch unmöglich. Ich finde es auch so schon nicht einfach, ein Mädchen in dem Alter zu untersuchen, selbst wenn man optimale Untersuchungsbedingungen hat, aber so, war das absolut unmöglich.
Hier haben wir beim Wäsche Waschen gestört
Auch die Genauigkeit der Untersuchung hat dadurch natürlich gelitten. Teilweise hatte ich so eine Meute um mich herumstehen, dass ich mich kaum bewegen konnte (wegschicken war wirkungslos), geschweige denn vernünftig auskultieren. Und als „the ferengi doctor“ war ich auch noch die Attraktion des Tages und durfte einmal die Klasse erst verlassen nachdem ich noch 3 Kinder extra untersucht hatte. Alles in allem ein wirklich schöner und interessanter Tag!
So viel zur positiven Seite, nun zur negativen.
Nur die wenigsten der Studenten nehmen ihre Aufgabe ernst. Vielfach hängen meine Mitstreiter nach ein oder zwei Stunden Arbeit nur noch im Schatten rum und machen nichts. Auch mein „Partner“ lässt bestimmte Fragen einfach geflissentlich aus oder füllt nach nur wenigen Worten Gespräch zwei Seiten im Fragebogen aus und nachdem die Fragen sehr unterschiedlich sind, ist es auch nicht möglich, dass die Fragen in dieser kurzen Zeit beantwortet wurden.
Natürlich verstehe ich, dass es für die eine Menge extra Arbeit ist und auch dass die paar Notenpunkte die man für das Projekt bekommt nicht wahnsinnig viel Arbeit wert sind. Auch ist es verständlich, dass man gerade auf sowas direkt nach der Prüfungsphase keine Lust hat. Trotzdem finde ich, sollte man bei einem solch wichtigem Projekt wenigstens versuchen ordentlich zu arbeiten, auch wenn die äthiopische Art generell etwas gemütlicher und weniger genau ist als die deutsche.
Ich muss zugeben, dieses Verhalten finde ich ziemlich enttäuschend und was ich aus den anderen Gruppen so vernommen habe ist es da nicht anders. Auch deshalb bin ich momentan sehr zwiegespalten was das ganze Programm betrifft.
Ein paar Kinder in der Schule. Meine Kamera war eine sehr spannende Sache

Dienstag, 12. April 2011

11.04. - 12.04.2011: Das CBTP 1

CBTP ist kurz für Community Based Training Programm und der eigentliche Grund weshalb ich nach Äthiopien gekommen bin. Es ist ein Markenzeichen der Jimma University. Das Programm sieht vor, dass die Studenten Fragebögen zu bestimmten Themen erstellen und dann in Gruppen in verschiedene Dörfer fahren, um die Bevölkerung zu befragen, die Informationen auszuwerten und in einem Abschlusssymposium vorzustellen. Wir 6 Studenten der LMU werden jeweils einer Gruppe von Studenten zugeteilt und arbeiten mit ihnen im Team.
Ich wurde der Kebele Bosa Kito in Jimma zugeteilt. Anfangs war ich etwas enttäuscht, weil ich mir erhofft hatte noch ein wenig mehr von der Gegend um Jimma sehen zu können, aber man kann nicht alles haben.
Die ersten 2 Tage sind für die Erstellung der Fragebögen vorgesehen. Allerdings ist Erstellung übertrieben, weil es eigentlich Wochen dauert einen Fragebogen zu konzipieren und zu testen. Die Studenten wissen das und auch, dass die Fragebögen schon vorbereitet und kopiert im CBTP-Büro liegen. Daher sind die ersten zwei Tage auch so richtig unproduktiv abgelaufen. Bis auf zwei einstündige Treffen, hatten wir eigentlich nichts zu tun.
Ziele dieser CBTP-Phase sind:
  • Daten über die Gesundheit der Frauen im Alter von 15 - 49
  • Daten zum Impfstatus der <2järhigen und
  • Daten über den Gesundheitsstatus von Schulkindern
zu sammeln.

Soweit ich meine Gruppe bisher kennengelernt habe, scheinen alle recht nett zu sein, auch wenn manche etwas faul wirken und andere mit etwas zu nahe kommen wollen...
Die Zusammensetzung ist wirklich ungewohnt: 19 Männer 4 Frauen.

Soviel dazu, morgen geht es ins Dorf.

Sonntag, 10. April 2011

10.04.11: Spontantrip Tag 4: Auf nach Hause!

Ich kann gar nicht beschreiben, wie schrecklich ich mich nach der Nacht in der „Halleluja Pension“ fühle. Ich habe die halbe Nacht kein Auge zugetan, weil ich ständig Angst hatte, dass mir gleich eine Kakerlake oder etwas anderes ekliges in den Mund krabbeln könnte. Und dieses Bad...! Ich möchte gerade einfach nur in einer Wanne voll Sterilium baden! Dieses Loch, heißt bestimmt nur deshalb „Halleluja Pension“ weil man „Halleluja“ ruft wenn man es verlässt. Ich bin ja auch nicht wahnsinnig verwöhnt, nachdem ich ziemlich viel in Jugendherbergen übernachtet habe. Kaltes Wasser und mittelprächtig bis schlechte Sauberkeit in den Zimmer und teilweise seltsames Klientel ist alles kein Problem, aber das??? Keinesfalls empfehlenswert! Wenn ihr jemandem diesen Tipp gebt, dann ist das ein Beweis dafür, dass ihr diese Person nicht mögt!
Wie auch immer, ich war auf jeden Fall erleichtert das Dreckloch verlassen zu haben und nie, nie, nieeeeeeeee wieder einen Fuß hineinsetzen zu müssen.
Was kann ich euch über die Rückfahrt sonst noch so berichten, was ich nicht schon erzählt habe? Wegen des CBTP-Beginns mussten wir zurück nach Jimma fahren und konnten nicht die Alternativroute Addis – Jimma (kürzer, bessere Straße, etwas billiger) nehmen.
Ansonsten, war die Straße bescheiden bis mittelprächtig, wie am ersten Tag auch und wir haben es tatsächlich geschafft Panne Nummer 5 zu verbuchen.
Die Fahrt an sich war wirklich sehr anstrengend, weil es 8 Stunden über schlechte Straßen ging. Bei unseren Zwischenstopps wurden wir – wie üblich von Kindern umzingelt, die entweder „Foto, Foto“ oder „Highland, Highland, Highlaaaaand“ haben wollten.
Weiters ist bemerkenswert, dass wir vor Sonnenuntergang in Jimma angekommen sind! Wir machen Fortschritte. Nach einem Abschiedsessen mit unserem Guide und unserem Fahrer, und dem Versprechen eines Wiedersehens in Addis, waren wir alle sowas von reif für die Dusche. Endlich ein sauberes Bad (egal, dass das Wasser die Temperatur von Schmelzwasser hatte) und eine Dusche. Ich glaube ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so unfassbar dreckig und eine halbe Stunde unter eiskaltem Wasser hat auch noch nie so gut getan.

Mein Fazit: Ich bin kaputt, mir tut jeder Knochen und jeder Muskel meines Körpers weh und ich bin dreckig. Ich bin in 4 Tagen knappe 2000 km über beschissenste Straßen gefahren, wir hatten 5 Autopannen und ich habe im schlimmsten „Hotel“ meines Lebens übernachtet.
ABER: ich habe einen wunderschönen und großen Teil Äthiopiens gesehen, war bei den Mursi, von denen niemand weiß, wie lange sie ihre Kultur aufrecht erhalten können und habe Dinge erlebt, die ich sonst niemals erlebt hätte. Ich finde das war die 200 € die der Spaß gekostet hat auf jeden Fall wert. Es waren wirklich anstrengende 4 Tage und ich bin viel im Auto gesessen. Ich denke, hätte man 6 – 8 Tage Zeit gehabt, wäre der Trip noch schöner und entspannter gewesen, aber auch schoin so hat es sich absolut gelohnt.
Hiermit noch ein großes Dankeschön an Andrea, die alles organisiert hat und mich (und die anderen 2) mitgenommen hat.

Samstag, 9. April 2011

09.04.11: Spontantrip Tag 3 – Bei den Mursi

Es ist schwer zu glauben, aber nach dem unglaublichen Gewitter letzte Nacht, scheint jetzt tatsächlich die Sonne, als wäre nichts gewesen. Lediglich der Matsch beweist, dass es geregnet hat.
Hoffentlich ist letzterer kein Problem für unseren ramponierten Jeep. Nicht dass wir noch eine Panne haben...
Um halb 8 ging es los in den Nationalpark und in Richtung Mursi. Ich hatte ja leichte Bedenken, dass die Straßen im Park nach den Gewitter gesperrt sein könnten (jede andere Panne hatten wir ja schon mitgenommen, warum nicht auch diese?) doch zum Glück war alles in Ordnung. Es ging relativ steil bergab über die verschlammten Straßen, aber unser Jeep mit Allradantrieb meisterte jede Hürde mit Bravour.
Nach dem Checkpoint für den Nationalpark ging es immer weiter in die Tiefen des Nationalparks. Auf dem Weg zu den Mursi begegneten uns viele Tiere: TikTiks (eine Art Miniantilopen), bunt schillernde Vögel, unzählige Schmetterlinge und eine Schildkröte. Hätten wir mehr Zeit gehabt wären es sicherlich noch mehr gewesen.
Irgendwo mitten im Park, haben wir an einem Baum einen Mann mit Gewehr eingesammelt. Ein Scout, der uns zu den Mursi führen soll und für uns dolmetschen soll (die Mursi haben ihre eigene Sprache). Weiter ging also die Fahrt. Auf der weiteren Strecke sind wir auch an einigen der Mursi vorbei gefahren, die sich auch schon in die besten Posen warfen und riefen „5 Birr, 5 Birr, Foto, Foto!“Die wissen, warum wir da sind...
Nachdem wir an zwei leblos wirkenden Strohhüttensiedlungen vorbei gefahren sind, kamen wir endlich am Mursidorf an. Unser Guide gab uns eine kurze Einführung, wie wir uns verhalten sollen. Zum Beispiel erklärte er uns, dass wir für jedes Foto das wir machen bezahlen müssen und auch, dass die Mursi die Klicks der Kamera mitzählen. Außerdem warnte er uns auch vor dass die Mursi auch aggressiv werden können, weshalb auch der Scout dabei ist.
Ein paar Mursi Basics: sie sind ein kleines, traditionell lebendes Volk im Mago Nationalpark. Der Grund warum sie weltweit bekannt sind, ist die Praktik den Frauen die Unterlippe zu dehnen und Teller einzusetzen. Mit 15 Jahren beginnt man damit ein Loch in die Unterlippe zu stechen, welches durch das einsetzen immer größer werdender Teller innerhalb von 2 Jahren aufgedehnt wird. Außerdem verzieren Männer wie Frauen ihre Körper mit Narben und Bemalungen. Die Bekleidung besteht aus bunten Stoffen und Ziegenhaut.
Auch bei den Mursi gibt es das „Cattle Complex“ Phänomen. Das bedeutet, dass Rinder nicht zum Handeln und zur Ernährung der Familie da sind, sondern ein Statussymbol. Um eine Frau heiraten zu dürfen muss der Bräutigam beispielsweise 20 Rinder und eine Kalaschnikow an den Brautvater zahlen.
Interessanterweise haben selbst die Mursi mitbekommen, dass es AIDS gibt. Natürlich wissen sie nicht genau was das ist, aber es gibt die Regel, dass Geschlechtsverkehr mit Menschen außerhalb des Stammes verboten ist. Das ist wichtig, weil die Mursi-Frauen nämlich nach der Geburt eines Kindes 3 Jahre lang nicht mit ihren Ehemännern schlafen müssen. Dafür „darf“ der Mann „rumvögeln“, aber eben nur mit Mursi-Frauen.
Wie auch immer, back to topic.
Während unser Guide uns ein bisschen Hintergrundwissen über die Mursi vermittelt hat, versammelten sich immer mehr Mursi um uns. Als Kalkidan seine Ausführungen beendet hatte, kam eine seltsam angespannte Stimmung auf. Es hatte ein bisschen was von dieser Ruhe vor eine Schlacht beginnt. Dann galt es sich auszusuchen, wen man fotografieren möchte. Ich kam mir vor wie auf dem Rindermarkt, gerade so als würde ich mir das schönste Tier zum schlachten aussuchen. Irgendwie widerlich, aber wenn man ein Foto möchte, muss man das Spiel mitspielen.
Zuerst habe ich einen jungen Mursi-Mann fotografiert, mit diversen Ziernarben, dann habe ich eine Frau mit Kind fotografiert. Schon ist man 20 ETB ärmer. Die wissen was sie verlangen müssen. Vor allem wissen sie aber einen zu bedrängen. Ich wollte ein Bild von einer jungen Frau haben und plötzlich war ich von mindestens 20 Mursi umlagert. Intimabstand. Was ist das? Interssiert die sowas von überhaupt nicht! Ich hatte ein Top, das mit Perlen bestickt ist, an und das hätten die mir fast vom Leib gerissen. Ich hatte plötzlich einfach mal 5 Paar Hände auf meinem Busen, die andere hat versucht meine Perlen an so einem Bändchen von meinem Top abzumontieren, während 3 weitere meine Frisur (ich hatte noch meine Cornrows) inspiziert haben. Ich stand dazwischen und konnte mich absolut nicht bewegen. Schrecklich, ich habe mich noch nie so bedrängt gefühlt: Gleichzeitig habe ich mich aber auch nicht getraut aus dieser Menschentraube auszubrechen, weil ich überhaupt nicht abschätzen konnte, wie die Mursi reagieren würden. Schlussendlich hat der Scout mich dann gerettet und sie „verscheucht“.
Die anderen hatten in der Zwischenzeit fleißig Fotos gemacht. Ich habe es gerade noch so hinbekommen, eine Gruppe von Frauen zu fotografieren und zu bezahlen, als wir versuchten uns loszureißen. Das war wirklich nicht einfach, die Mursi wollten uns nämlich partout nicht gehen lassen. Es war ein richtiger Kampf bis wir am Auto waren. Man versuchte ständig uns noch zum Fotografieren zu bewegen und zwar auf die aggressive Art.
Es war auch bizarr, wie die Mursi in ihren traditionellen Kleidern, mit ihren Waffen und Tellerlippen durch die Gegend liefen und dabei Bündel von Geld in der Hand hielten (und zwar nur schöne 1 Birr Scheine, hässliche nehmen sie nämlich nicht!). Endlich am Auto angekommen (hatte ich erwähnt, dass wir 10 Minuten für 10 Meter gebraucht haben?), mussten wir noch einen „Obermursi“ bezahlen. Immerhin nochmal 100 ETB pro Person. Erst dann konnten wir uns ins Auto retten, was aber nicht bedeutet hat, dass die Mursi von uns abgelassen hätten. Immer mehr umzingelten unser Auto, klopften gegen die Scheiben und sind auch nicht aus dem Weg gegangen. Unser Fahrer musste den Motor aufheulen lassen und hupen, damit sie endlich Platz machten und wir den Rückweg antreten konnten.
Nach dieser Szene war mir aber auch klar, warum der Scout sein Gewehr dabei hatte. Wenn sich allein beim Verlassen des Stamms solche Szenen abspielen, dann kann ich mir wirklich gut vorstellen, wie schnell die Stimmung in wirkliche Aggression umschlagen kann, wenn sich jemand falsch verhält. Und dann sind da ja noch die Kalaschnikows...
Trotzdem war es ein wahrhaft faszinierendes Erlebnis, bei den Mursi gewesen zu sein. Ich bin aber auch zwigespalten, ob es eine gute Sache ist, dass wir als Touristen diesen Stamm besuchen. Einerseits ist es spannend die Mursi zu erleben und sie zu sehen, andererseits frage ich mich inwiefern wir diese Menschen beeinflussen und vielleicht auch ihre Kultur kaputt machen. Vor 20 Jahren ist noch keiner mit einer Kalaschnikow durch die Gegend gelaufen und sie konnten in Ruhe ihrem Alltag nachgehen, heute sind sie eine Touristenattraktion und werden wie im Zoo begafft. Ob man das wirklich unterstützen sollte? Oder ist es so, dass wenn ich nicht dahin fahre, dann fährt halt ein anderer hin? Ich weiß es nicht und ich bin weiterhin unentschlossen, wie ich darüber denken soll. Einerseits bin ich froh das erlebt zu haben und die Mursi gesehen zu haben, gerade auch weil man nicht weiß wie lange sie noch so leben werden, andererseits habe ich auch ein schlechtes Gewissen, ob es wirklich richtig war, wie so viele andere vor mir hinzufahren und damit vielleicht auch den Untergang dieser Kultur zu fördern.
Was gibt es über den heutigen Tag sonst noch so zu berichten? Nach einer Panne im Nationalpark (Platten, linkes Rückrad), einem Stau (Baggerarbeiten im Nationalpark) und einem Mittagessen (der beste Avocadosalat ever!), ging es schon auf die Rückreise. Unser Ziel des Tages: Arba Minch.
Die Rückfahrt war bis auf eine weitere Panne unspektakulär und gemütlich. Wir hatten genug Zeit für die Fahrt, das Wetter war gut und ein bisschen Zeit für kleine Fotostopps hatten wir auch. Was will man mehr?
Wir waren auch richtig gut in der Zeit bis wir irgendwo zwischen Konso und Arba Minch auf Kühe gestoßen sind. Wir sind bestimmt eine gute dreiviertel Stunde lang hinter Kühen her und an Kühen vorbeigefahren sein. Das waren auch riesengroße Herden, die da auf der Straße lang getrieben wurden. Ich glaube ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viele Kühe gesehen!
Aufgrund dessen sind wir jedenfalls doch erst nach Einbruch der Dunkelheit in Arba Minch angekommen. Dummerweise war aus unerfindlichen Gründen heute die komplette Stadt ausgebucht. Es waren nur noch in einer Pension Zimmer zu bekommen und uns war sehr schnell klar warum...
Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass das der widerlichste Ort ist, an dem ich je geschlafen habe. Es stinkt, es ist dreckig, es gibt kein Licht im Bad und die Moskitonetze scheinen zu leben. Was hier an Getier so rumkrabbelt... übel... und die Flecken auf der Matratze... urgh...
Ich hoffe inständig dass es sehr schnell morgen früh ist!

Freitag, 8. April 2011

08.04.11: Spontantrip Tag 2: Pleiten, Pech und Pannen

Oh, wie schön ist es ausgeschlafen aus einem gemütlichen Bett aufzustehen und voller Vorfreude in den Tag zu starten. Letztere wurde aber ziemlich schnell gedämpft, weil unser Auto zuerst in die Werkstatt musste. Diagnose: keine Bremsflüssigkeit mehr. Wie beruhigend zu wissen...
Als das Problem behoben und der Tank gefüllt waren, konnte es dann doch endlich los gehen. Unser heutiges Ziel: Jinka. Das ist ein kleines Städtchen vor dem Mago National Park, was schlussendlich unser Ziel ist. Auf, auf! Los geht’s.
Ok, Auf, auf streiche ich besser wieder, unser Weg hat uns nämlich auf die wahrscheinlich schlechteste Straße Äthiopiens geführt. Selbst die schlimmste Straße zur entlegenstens Alm bei uns ist besser als diese Schlaglochpiste. So bin ich noch nie durchgeschüttelt worden.
Dummerweise hat sich die bescheidene Straße nach einer Stunde fahrt gerächt. Zuerst hat es im Auto komisch gerochen, dann hat unser Fahrer angehalten. Das rechte Hinterrad scheint kaputt zu sein. Aber was es wohl ist? Ich bin ziemlich planlos was Autos betrifft und sicher nicht qualifiziert, das jetzt korrekt zu beschreiben. Man verzeihe mir das bitte.
Mit dem Reifen an sich war auf jeden Fall alles in Ordnung, aber wie es schien, drehte sich das Rad nicht mehr richtig. Unser Fahrer ist ziemlich kompetent und hat wohl auch Jahre in einer Werkstatt gearbeitet, aber irgendwie schien das Problem doch komplexer zu sein.
Auf jeden Fall hat er ziemlich lange daran rumgebastelt, ist aber zu keinem Ergebnis gekommen. Wenigstens ist die Straße auf der wir unterwegs waren ziemlich belebt. Immer wieder fahren Autos und LKWs vorbei und die meisten halten auch an und fragen was los ist. Also das genaue Gegenteil von dem was im Reiseführer steht. Es scheint so als würde das richtige Werkzeug fehlen.
Es gibt auch ziemlich viele Menschen die vorbei kommen und sich unsere Situation ansehen. Zeit spielt hier eine ganz andere Rolle und so macht es auch nichts wenn man mal eine Stunde den Ferengi zuschaut, die versuchen ihr Auto zum Fahren zu bewegen.
Apropos eine Stunde... HILFE! Wir müssen doch weiter! Sonst schaffen wir es nie nach Jinka und dorthin müssen wir heute auf jeden Fall, sonst können wir uns die Mursi aus dem Kopf schlagen.
Kurz gesagt: so langsam wurden wir alle nervös.
Die Kinder die hier so vorbei laufen, mit Wasserflaschen, Holz, Macheten und Scharen von Tieren, verstehen es wenigstens uns abzulenken. Mit Händen und Füßen unterhält man sich, es wird Faszination und Amüsement über meine Frisur ausgedrückt und – selbstverständlich – werden auch Fotos gemacht. Weil man ja Zeit hat, will man unbedingt alle meine 500 Äthiopienfotos sehen. Was die Kinder besonders lustig fanden, waren Fotos von Tieren. Ich wette die haben mehr als einmal „Schau mal, die Frau hat ein Foto von … (Tier bitte hier einfügen) gemacht.“, auf amharisch gesagt und sich dabei krumm gelacht. Genau weiß ich das selbstverständlich nicht, weil mein Amharisch nur zum Essen bestellen reicht, aber das war sicher so.
Eineinhalb Stunden nachdem wir liegen geblieben sind, kam wieder mal ein LKW vorbei, der unserem Fahrer geholfen hat. Nach einigen wenigen Worten, hat er ihm Werkzeug gegeben und ist wieder abgedüst. Das war endlich der Durchbruch!
Dann ging alles ganz schnell und unser Rad funktionierte wieder. (Für die Autointeressierten: Soweit ich das aus der Mischung aus Englisch und Französisch, die wir mit unserem Guide gesprochen haben verstanden habe, war das Radlager das Problem. Irgendwas hat sich da verkantet und deshalb hat sich wohl das Rad nicht mehr gedreht. Auf jeden Fall war das so blöd verhakt, dass es deshalb so lang gedauert hat, das wieder zu richten).
Nach unglaublich langen und heißen 2 Stunden konnte die Fahrt endlich weiter gehen! Leider mit dem unguten Gefühl im Magen, dass wir 2 Stunden verloren haben und vermutlich doch nicht mehr nach Jinka fahren können. Das ist einfach zu weit weg und wenn die Straße so weiter geht, dann haben wir keine Chance. Also doch Bötchen tuckern und Tiere anschauen? Ach Mensch!
Wie auch immer, unser Ziel war jetzt erstmal Arba Minch und alles weitere sieht man dann.
Nach dem Mittagessen (in „Ali's Hotel“ nicht teuer und lecker!) habe ich das heikle Thema doch angesprochen. Wir mussten ja wissen, wie es nun weiter geht.
Die Antwort: „Wir fahren so weit wie wir kommen.“ Sollte das etwa heißen, dass es doch machbar sein könnte?
Also schnell auf in den Jeep. Gestärkt ging es wieder auf die – überraschend gute! - Piste. Und sie blieb gut! Nach 1,5 Stunden machten wir eine kurze Pause in Konso. Von Arba Minch bis dort sind es 130 km. Rekordverdächtig! Wenn das so weiter geht, dann wird das ja doch noch was!
Konso ist übrigens ein sehr schönes kleines Städtchen, hier würde ich durchaus mehr Zeit verbringen können. Aber die Zeit drängt ja. Ein längerer Zwischenstopp wäre nur ohne die Panne möglich gewesen.
Also weiter! Wie gestern schlängeln sich die Straßen durch die Landschaft und inzwischen merkt man auch deutlich, dass wir das Hochplateau auf dem Jimma liegt verlassen haben. Es wird heißer und die Landschaft verändert sich komplett. Die saftig grüne Landschaft mit ihrer roten Erde, die ich aus Jimma kenne, ist inzwischen brauner Erde gewichen und ist auch nicht mehr so dicht bewachsen. Die Anzahl der Bäume hat auffallend abgenommen. Auch die Rundhütten sehen hier anders aus; wie es scheint werden je nach Region die Dächer anders gedeckt.
Die Straßen sind im übrigen weiterhin ziemlich gut, vermutlich die besten auf denen ich in Äthiopien bisher gefahren bin. Trotzdem ist die Fahrt anstrengend, denn man wird ordentlich durchgeschüttelt.
So langsam bricht auch die Dämmerung herein und es wäre eigentlich Zeit, dass wir ankommen. Aber seit Konso sind wir nur durch ein kleines Dörfchen gefahen und haben ansonsten nur vereinzelte Hütten gesehen. Es ist schon ziemlich düster als wir Key Afar erreichen, ein Ort 70 km vor Jinka. Bleiben wir jetzt hier? Wie es scheint wohl nicht, aber das hieße ja, dass wir mindestens eine Stunde in der Dunkelheit fahren müssen. Es ist schon seltsam. Zu Hause würde ich mir niemals darüber Gedanken machen ob ich jetzt im Dunkeln fahren muss oder nicht, hier hingegen habe ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Nicht nur wegen der Nachtfahrt (von der unser Fahrer auch nicht begeistert ist und wovon auch immer abgeraten wird), sondern auch weil ein Gewitter im Anmarsch ist.
Die restliche Fahrt ist langsam und vorsichtig. Auf den letzten 30 km wird gebaut, entsprechend müssen wir auf provisorischen Straßen fahren und die sind nicht sonderlich gut. Außerdem haben die Scheinwerfer eine Reichweite von 5 Metern. Super!
Aber glücklicherweise kommen wir doch noch gut in Jinka an. Eine Bleibe für die Nacht ist auch relativ schnell gefunden (Mekone Pension, 60 ETB für's Einzelzimmer, ganz nett, aber die Sauberkeit lässt sehr zu wünschen übrig (besonders im Bad...).
Es ist kaum zu glauben, aber wir haben es tatsächlich geschafft! Die Mursi sind zum Greifen nah!

P.S.: Ich glaube das Gewitter diese Nacht ist das schlimmste Gewitter, das ich je erlebt habe. Wäre ich Asterix, dann wäre ich in diesen Nacht überzeugt gewesen, dass mir der Himmel auf den Kopf fällt.

Donnerstag, 7. April 2011

07.04.11: Spontantrip Tag 1 – Diskussionen

Nach einer Einladung von Andrea haben Moritz, Jana und ich spontan beschlossen uns eine Auszeit von der Arbeit in der Klinik zu nehmen und sie zu den Mursi zu begleiten. 120 € für jeden für 4 Tage Fahrer und Guide. Das ist echt nicht schlecht.
Also musste ich alles was man so für 4 Tage braucht in einen Rucksack stopfen. Prinzipiell ziemlich simpel, aber dank einem Gewitter gab es mal wieder keinen Strom und dementsprechend, musste ich bei Taschenlampenlicht packen. In der Hoffnung nichts vergessen zu haben bin ich dann ins Bett gekrabbelt, nur um 5 Stunden später wieder aufzustehen.
Nach dem Frühstück, etwas Ärger über ungeladene Akkus, wegen des Stromausfalls und längerer Suche nach einem Bajaj das uns mitnimmt, waren wir endlich an unserem Treffpunkt angekommen. Unser Guide und unser Fahrer erwarteten uns auch bereits und verstauten auch gleich unser Gepäck im Jeep.
Was folgte waren eine ganze Menge Diskussionen. Wir waren davon ausgegangen, dass wir den Guide nur für 4 Tage bezahlen müssen, das war so mit der Agentur abgesprochen, wie sich nun aber herausstellte, wollte er – genau wie der Fahrer – die Anreise bezahlt bekommen. Nochmal 50 € extra... Na das fängt ja gut an.
Jana, kam dann auf die Idee zu fragen, ob das Benzin inklusive ist. War es nicht. Das wird ja von Minute zu Minute teurer. What the f***?Langsam wurde uns ein wenig mulmig, ein Wochenende unterwegs ist ja super, aber wenn das schon so anfängt? Was kommt denn als nächstes? Hotel bezahlen, Essen bezahlen, die Liste ist lang...
Wir standen bestimmt eine Stunde da und haben diskutiert. Mitfahren? Nicht mitfahren? Wirklich alles gleich bezahlen? Pauschalpreis für das Benzin aushandeln? Und, und, und. Schließlich begibt man sich ja mit wildfremden Menschen auf eine Reise und wenn da plötzlich was nicht passt, dann hat man ein Problem. Im schlimmsten Fall steht man allein mitten im Nirgendwo und schaut einem wegfahrenden Jeep hinterher.
Schlussendlich haben wir die Hälfte des Geldes bezahlt und die andere Hälfte bezahlen wir nach unserer Rückkehr. In den sauren Apfel mit dem Benzin mussten wir leider beißen, weil das hier so üblich ist. Das hätten wir aber gern vorher gewusst.
1,5 Stunden später als geplant konnten wir endlich losfahren. Erst im Schritttempo über eine Schlammpiste von Straße auf der es vor Menschen und Eseln nur so wimmelte, aber schon bald mit (gefühlt) Vollgas über die Dirtroad. Bergauf, bergab. Kurven über Kurven. Vorbei an kleinen Dörfchen, Bananenplantagen und Menschen, die ihre alltäglichen Aufgaben erledigen.
Zwischendurch haben wir unseren Fahren immer wieder mit unseren „STOOOOOOOOOOP“-Rufen zum anhalten gebracht, damit wir Fotos machen können. Nach all den Diskussionen war unsere Stimmung jetzt, wo wir endlich unterwegs waren super. Eine Auszeit von all dem Scheiß den man in der Klinik so sieht tut gut und die Vorfreude auf die nächsten Tage tat ihr übriges.
Nach über 3 Stunden Fahrt machten wir Halt in einem kleinen Dörfchen, um etwas zu essen. Wir waren die Attraktion schlechthin und in Ruhe zu Essen war demnach unmöglich. 4 Weiße auf einem Haufen, das muss man gesehen haben! Eine Bande von Kindern hat uns umzingelt und alle wollten fotografiert werden. Langsam wird mir klar, warum jeder Afrikareisende Fotos von lachenden Kindern mitbringt. Es geht gar nicht anders!
Ich habe außerdem den Fehler gemacht zu fragen, wie weit wir in fast 3 Stunden gekommen sind. Entäuschende 100 (und ein paar Zerquetschte) Kilometer. Das ist wieder einmal ein Beweis dafür, dass Entfernungen hier einfach anders definiert werden. Wären wir in Deutschland unterwegs, dann wären wir nach dieser Zeit schon fast in Arba Minch (das ist ca. 350 km von Jimma entfernt), aber bei den hiesigen Straßenverhältnissen, werden wir bis zum Sonnenuntergang wohl gerade so Sodo erreichen (von dort sind es noch 90 km bis nach Arba Minch).
Nach dem Essen und vor allem nachdem wir die Kinder los geworden sind, konnte die Fahrt weiter gehen. Immer wieder einen Berg hinauf und wieder herab, mit dem Fahrtwind im Gesicht.
Ein wunderbares Gefühl! Und die Landschaft ist wirklich traumhaft schön, insbesondere weil sie so anders ist. Man sieht Bäume und Sträucher die man einfach noch nie zuvor gesehen hat.
Nach anstrengenden 7 Stunden im Auto, deren Resultat war, dass ich meinen Kopf kaum noch drehen konnte, sind wir endlich in Sodo angekommen. Nach einer kurzen Hotelsuche, sind wir im „Bekele Mola Hotel“ abgestiegen. Der Preis war ok (ca. 100 ETB pro Person), die Zimmer soweit auch. Standard: mittelmäßige Jugendherberge. Aber Hauptsache ein Bett!

Dienstag, 5. April 2011

05.04.2011: Meine neue Frisur

Nachdem ich heute vollkommen entnervt aus der Chirurgie abgehauen bin, weil ich mir das alles echt nicht mehr ansehen konnte, bin ich mit einer Medizinerin die ich hier kennengelernt habe zum Friseur.
Ich hatte ihr gegenüber mal erwähnt, dass ich die Frisuren (Cornrows) die hier alle so tragen wunderschön finde und auch gern so eine Frisur möchte. Nett und hilfsbereit wie die Äthiopier so sind, hat sie einfach einen Termin für mich ausgemacht und mich begleitet.
Zunächst galt es sich eine von den gefühlten 1000 verschiedenen Arten von Cornrows auf den Bildern auszuwählen, was mit ein paar Tipps von Eyosight auch relativ einfach war. Schwieriger war es die Flechterin davon zu überzeugen, diese Frisur in meine Haare zu zaubern. Sie war nämlich nicht überzeugt, dass mein (vergleichsweise) feines europäisches Haar, die Flechterei aushalten würde.
Nach einem Probezopf war sie überzeugt und hat sich an die Arbeit gemacht.
Ich muss sagen, dass das Gefelchte nicht gerade angenehm war. Man sollte glaube ich eine robuste Kopfhaut haben, wenn man diese Frisur haben will und auch nicht allzu schmerzempfindlich sein.
Es wird immer ein Zopf nach dem anderen geflochten und vorher wird der Bereich der gezopft wird in der Form die man gern hätte abgeteilt. Bei mir musste sie außerdem noch meinen Pony miteinflechten. Das war alles nicht so einfach.
Nach einer Stunde waren alle meine Haare verzopft und meine neue Frisur fertig. Der Kopf spannt zwar schon etwas, aber es sieht auf jeden Fall cool aus.
Oh und gekostet hat das Ganze 10 Birr!


P.S.: Nach einer Woche habe ich die Frisur nun aufgemacht, weil ich langsam etwas zerzaust ausgesehen habe. Bei den Afrikanerinnen hält das ungefähr doppelt so lang. Interessant waren die Reaktionen auf die Frisur. Ich hatte ehrlich gesagt etwas Angst, dass es negativ aufgefasst wird, wenn eine Weiße mit „deren“ Frisur rumläuft, aber im Gegenteil. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Es war auch auf meiner Reise ganz lustig, weil vor allem die Kinder von den Haaren voll begeistert waren und teilweise sind sie mir überhaupt nicht von der Pelle gerückt, weil alle meine Zöpfchen betasten wollten. Das war wahnsinnig putzig!

04.04.11 – 05.04.11: Die Chirurgie

Nach der Pädiatrie, wollte ich mir die Chirurgie ansehen. Ich habe mir nicht sonderlich viel erwartet, nachdem ich mich letzte Woche mit Andrea, einer Chirurgin aus der Schweiz die hier momentan ehrenamtlich tätig ist, unterhalten habe. Dass diese Erwartungen aber auch noch unterboten werden können, war mir nicht klar.
Als wir um 8 in der OPC (Outpatient Clinic) bzw. im „Emergengy Departement“ angekommen sind, war kein Arzt weit und breit zu sehen. Das hat sich auch für 1,5 Stunden auch nicht geändert. Wartebereiche voller wartender Patienten, die evtl. auch kritisch sein können scheint keinen zu interessieren.
Als schlussendlich doch ein paar Ärzte (bzw. ein paar Interns und ein 1st year resident) eintrudeln, wird in einem ziemlich gemächlichen Tempo mit der Arbeit begonnen. Ein Mann der schon seit 8 Uhr mit seinem dicken, durchgebluteten Verband wartet, wird eine weitere Stunde ignoriert.
Auch habe ich den Eindruck, dass auf Anamnese hier überhaupt keinen Wert gelegt wird. Die Ärzte übersetzen zwar, wenn man darum bittet, aber die Informationen sind spärlich. Bei einem Patient mit einer Kopfplatzwunde zum Beispiel, bekomme ich auf die Frage was passiert ist, die Antwort: „Er hat eine Kopfplatzwunde“. Als ich nach dem Mechanismus frage, werde ich groß angeschaut und dann wird der Patient hastig gefragt. Nun erfahre ich, dass er bei einem Streit irgendwie auf den Kopf gefallen ist. Ich möchte wissen ob der Patient bewusstlos war oder nach dem Sturz etwas ungewöhnlich war. Wieder ein fragender Blick und hastiges Gefrage. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass der Arzt sich bevor ich ihn ausgefragt habe mindestens 15 Minuten mit dem Patienten gesprochen hat. Worüber haben die sich bitte unterhalten? Das Wetter?? Dieses Szenario hatte ich sehr häufig in den 2 Tagen mit den Chirurgen.
Weiter zu den anderen Patienten, dieses Trauerspiel von „Anamnese“ und „körperlicher Untersuchung“ konnte ich nämlich relativ schnell nicht mehr mitansehen. Viele Patienten kommen zum Verbandswechsel und gehen dann wieder nach Hause. Relativ simpel und sollte auch schnell gehen. Diese Verbandswechsel kann sich unsereins wirklich nicht vorstellen. Ich war wirklich schockiert.
Zunächst werden die alten Verbände abgemacht, was bedeutet, dass die Verbände abgerupft werden und der Patient vor Schmerzen aufschreit. Wenn der Chirurg nett ist, dann werden die Verbände mit NaCl getränkt und dann abgerupft, was etwas weniger schmerzhaft ist. Was folgt ist eine „Beurteilung“ der Wunde, die dann wieder mit NaCl gespült wird (gerne auch jegliche andere Art von Infusionslösung, wie Ringer Lactat oder Glucose). Desinfektion? Fehlanzeige. Auch auf meine direkte Frage hin, ob noch mit irgendwas desinfiziert würde, wird mir gesagt, dass NaCl reicht. Aha... ist ja interessant. Kein Alkohol, kein Jod, kein gar nichts kommt an die Wunde. Lediglich bei tieferen Wunden kommt „Hydrogen Peroxide“ (Wasserstoffperoxid...) zum Einsatz. Das wird einfach in die Wunde gekippt und damit wird die Wunde „gereinigt“. Mehr oder weniger ist danach einfach alles weg geätzt. Unfassbar. Danach kommt ein neuer Verband auf die Wunde.
Äthiopische Abszessdrainage. Im Freien und das Fensterbrett als Ablage
Dass ich die hygienischen Zustände hier schwierig finde, habe ich ja schon in meinem Bericht über die Pädiatrie erzählt, aber die Chirurgen sind auch in der Beziehung schlimmer. Sie haben keine Ahnung was steril arbeiten bedeutet. Teilweise habe ich den Eindruck, dass sie denken, dass alles was man mit sterilen Handschuhen anfasst auch steril ist. Leider scheint es aber auch so, dass ihnen das keiner richtig zeigen kann, weil es niemand besser weiß.
Viele der Patienten haben offensichtlich (und sehr gut hörbar) große Schmerzen, aber die werden gar nicht zur Kenntnis genommen. Es wird den Patienten keine Art von Schmerztherapie angeboten. Ich habe naiverweise trotzdem nach Schmerzmitteln gefragt und ob die Patienten etwas bekommen. „Wir können ja schlecht die ganze Wunde zum Verbandswechsel mit Lidocain unterspritzen“. Geile Antwort. Der Arzt wollte mich mit Blicken töten, als ich gemeint habe:“Selbstverständlich nicht, aber mit einer systemischen Schmerztherapie kann man auch lokale Schmerzen lindern“. „Das sollen die Patienten einfach aushalten“, wurde mir erwidert. Das schwachsinnige daran ist, dass die Patienten die Medikamente hier selbst bezahlen müssen und entsprechend keine Ressourcen der Klinik verschwendet werden würden, aber die Patienten werden noch nicht einmal darüber informiert, dass es Schmerzmittel gäbe und sie – wenn sie die finanziellen Mittel haben – welche bekommen können. Vor allem sind die Schmerzmittel hier auch echt billig (auch in Relation zu den hiesigen Gehältern gesehen). Für mich ist das völlig unverständlich.
Der Mann mit dem durchgebluteten Verband wurde gegen Mittag angesehen. Der Verband wurde ziemlich rabiat abgenommen und die Aufschreie des Patienten wurden geflissentlich ignoriert. Was sich nun offenbarte war alles andere als appetitlich: ein zerfleischter Daumen, aus dem noch ein Teil des Knochens ragte. Mein erster Gedanke bei diesem Anblick: „Jetzt wird gleich amputiert“.
Die Verletzung war schon über 12 Stunden alt und Teile des Daumens waren offensichtlich bereits nekrotisch (d.h. Das Gewebe ist abgestorben und kann nicht mehr gerettet werden). Der vordere Daumenknochen war bei der Messerstecherei zerteilt worden, die Gelenkkapsel war eingerissen und die obere Hälfte des Daumens hing nur noch in Fetzen am Rest.
Der Finger... live sah er noch schlimmer aus.
Der Patient saß heulend vor uns und hat gebettelt den Finger nicht amputiert zu bekommen, was ich auch verstehen kann. Was macht der Arzt? Anstatt sich zwei Minuten Zeit zu nehmen und dem Patienten zu erklären, dass es mehr Sinn macht das nekrotische Gewebe und einen Teil des Knochens jetzt zu entfernen (dadurch würde er zwar einen Teil seines Daumens verlieren, aber gute Heilungschancen haben), macht er einen Fingerblock (das heißt man betäubt mit einem Lokalanästhetikum nur den Finger) mit Lidocain & Adrenalin (abolut kontraindiziert bei sowas...) und näht mit drei extrem halbherzigen Stichen ein bisschen von dem zerfetzten Geweben an den Finger und klatscht einen Verband drauf. Ich war fassungslos! Am schlimmsten fand ich was der Arzt dann gesagt hat:“ Das Gewebe ist ja eh nekrotisch und wahrscheinlich auch schon infiziert, in 3 Tagen werden wir den Finger dann amputieren“. So ein Mensch darf Arzt werden??? Anstatt das möglichste zu tun, um den Finger des Patienten zu retten und dem Patienten die Möglichkeiten zu erklären, wartet er trotz besserem Wissen einfach nur darauf den ganzen Finger amputieren zu können und den Mann zum Krüppel zu machen. Und das mit einem süffisanten Lächeln. Ich könnte immer noch kotzen wenn ich nur an diese Sache denke!
Dass ich als Studentin und Frau natürlich nichts zu melden habe und sämtliche Einwände die ich während dieser Episode erhoben habe übergangen wurden, muss ich wahrscheinlich eh nicht mehr erwähnen.
Leider ist das hier keine Ausnahme, sondern die Regel. Mir kommt es häufig auch so vor, als wäre ein Mensch hier nichts wert. Vielfach scheint es mir so, als würde Sachen die man mal gelesen hat einfach mal ausprobiert, ob der Patient aufgrund dessen Probleme bekommen könnte (auch lebensgefährliche...) ist egal. Bei uns würde man kein Tier so behandeln.

Stiffneck