Nach fast 3 Tagen mentaler Vorbereitung habe ich mich auf die Station gewagt. Es ist heftig hier! Wenn man die Station betritt, rennt man erstmal gegen eine Wand von Gestank die einem den Atem raubt. Die hygienischen Zustände sind unglaublich. In den Zimmern stehen die Betten so eng beisammen, dass zwischen zwei Betten genau eine Person stehen kann. Generell sind die Zimmer ziemlich überbevölkert: 10 – 12 Patientenbetten, in dem der Patient und ein Familienmitglied schlafen, dazu kommen aber noch die restlichen 1 – 5 Familienmitglieder, die den Patienten begleiten und die meist irgendwo auf dem Klinikumsgelände im Freien schlafen.
So etwas wie ein Patientenbad oder eine Toilette scheint es nicht zu geben. Die Kinder machen einfach ins Bett oder bisweilen mal in einen Nachttopf, der aber nicht geleert wird (daher auch der Gestank). Wo die Angehörigen sich waschen oder sich erleichtern? Ich habe keine Ahnung.
Das kleinste Zimmer auf Station |
Es ist brütend heiß (teilweise heißer als draußen) und stickig, dazu der Gestank. Ich hatte mehr als einmal das Gefühl, dass ich bei der Visite umkippe. Das ist mir zum Glück nicht passiert, sonst wäre ich vermutlich auch in einem dieser Betten gelandet und wer weiß was man sich da einfängt. Das ist nicht böse gemeint, aber auf Station liegt einfach alles querbeet gemischt (teilweise höchst ansteckende Krankheiten) in den Zimmern und die meisten Ärzte benutzen weder Handschuhe noch Desinfektionsmittel. Auf Anfrage bekommt man zwar beides, aber dass es – wie bei uns – Standard wäre? In keinster Weise. Es gibt sogar ein Isolationszimmer in dem zwei Patienten mit Masern liegen, aber ich habe den Eindruck, dass den Ärzten gar nicht klar ist, was Isolation bedeutet. Man rennt nämlich munter in das Zimmer und wieder raus, fasst die Patienten an, desinfiziert sich auch hier nicht die Hände und zieht auch keine Schutzkleidung an. Somit werden die Masernviren einfach so auf der gesamten Station verteilt. Äußerst gefährlich, weil hier nur mit einem pentavalenten Impfstoff geimpft wird (5fach-Impfung gegen Diphterie, Tetanus, Polio, Haemophilus influenzae, Pertussis) und die MasernMumpsRöteln-Impfung auch nicht zum Standard gehört. Außerdem sind viele Kinder trotz aller Bemühungen überhaupt nicht geimpft. Das macht dieses Verhalten meiner Meinung nach noch gefährlicher.
Auch das Hantieren mit Nadeln und Skalpellen ist eigen. Recapping ist normal (schauerlich!Wer will hier bitte eine Nadelstichverletzung?!), Abwürfe gibt es selten und wenn dann aus Karton (sehr sinnvoll), Skalpelle werden gern mal in Papier eingewickelt (Argh!) oder in den Müll geschmissen. Wenn Infusionen vorbereitet werden, dann bleiben die Nadeln auch gern auf dem Tisch liegen, wo jeder versehentlich hinfassen kann.
Ich war ja gewarnt, denn mir wurden solche Geschichten schon mehrfach erzählt, aber das mit eigenen Augen zu sehen ist etwas ganz anderes. Es macht mich so wütend das zu beobachten, denn so limitiert die Möglichkeiten hier auch sein mögen, allein mit simplen Hygienemaßnahmen, kann man schon so vieles verhindern.
Die Neonatologie besteht aus einer Infusion, einer Wärmelampe und einer Sauerstoffleitung |
Die Neonatologie ist auch ein Fall für sich. Im Prinzip nur ein Tisch, auf dem die Kinder unter einer Wärmelampe liegen. Es gibt zwar auch Ärzte da, aber die können für Frühchen eigentlich überhaupt nichts machen, außer Infusionen zu geben und ein bisschen Sauerstoff über eine Nasenbrille. An dem Tag als ich zum ersten Mal dort war, lag auch ein 28 Wochen Frühchen dort. Auf meine Frage was man denn für das Kind machen könnte, wurde mir durch die Blume gesagt, dass man eigentlich nur darauf wartet, dass das Kind stirbt.
Viele der Ärzte sind schon in Europa oder Amerika gewesen und kennen deshalb auch „unsere“ Art Medizin zu machen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es für die ganz schön frustrierend sein muss zu wissen was möglich ist und dann zu sehen, welche Möglichkeiten sie selbst haben. Es kommt sehr oft die Aussage „Wenn wir jetzt xyz hätten würden wir das machen, aber wir haben xyz nicht“. Besonders schlimm finde ich, dass es beispielsweise keine Mikrobiologie und nur ein sehr limitiertes Labor gibt. Ich finde ohne MRT oder CT kann man leben, aber beispielsweise ein Antibiogramm wäre schon paradiesisch. Es werden hier auf eine schwere Infektion einfach mal kalkuliert 3 – 4 Breitbandantibiotika draufgeklatscht und dann wird gehofft, dass etwas wirkt.
Genug schockierendes erzählt für heute, denke ich. Ich werde vielleicht noch von 2 – 3 interessanten Fällen berichten, die ich hier gesehen habe.
auf der Päppelstation |
Hi Carmen, deine Berichte sind super spannend!!! Bin ganz begeistert am Lesen und ich hoffe schon gespannt auf die Fortsetzungen...
AntwortenLöschenIch wünsch dir weiterhin viele einmalige Erlebnisse und ne tolle Zeit!
Ganz liebe Grüße! Birgit
PS: Hast du Lust mal "Das Schmuckstück" von François Ozon anschaun wenn du wieder zurück bist?
Es gibt Menschen die mitlesen! Juhu, ich freu mich wie blöd!
AntwortenLöschenIch werd auf jeden Fall weiter schreiben :D
Und ins Kino: sehr gern, der Film hört sich gut an! Wir sollten das als DELFfeier organisieren ;)
glg und bis bald!
Schöner Blog-Beitrag! Muss mir vielleicht echt mal überlegen im Sommer auch auf "Abenteuer-Tour" zu gehen. Hier am Klinikum in GH sind übrigens die Masern ausgebrochen ;-)
AntwortenLöschen