Dienstag, 6. März 2012

06.03.2012: Day 7 & flying solo!

Meine erste Woche ist vorbei! So langsam habe ich mich auch eingelebt. Ich kenne das Pflegeteam, die Physiotherapeuten, den Sozialarbeiter und ich weiß wer Konsiliararzt für welches Fach ist und immer mal wieder nachmittags reinschneit und nach Patienten fragt.
Außerdem hab ich die wichtigsten Telefonnummern im Kopf (besonders wichtig: die von der Telefonzentrale!).
Heute ist Dienstag und entsprechend ist Oberarztvisite. Meine Assistenzärztin ist ein wenig angeschlagen. Gestern hatte sie abends wohl 40°C Fieber und fühlt sich generell etwas grippig. Mit freundlichen Grüßen von Herrn S., der unter anderem deshalb hier ist...
Unser Oberarzt ist wirklich nett und meint gleich, ob sie nicht Heim gehen will. Sie meint, dass sie das schon packt. Soweit so gut, also auf zur Visite. Nach Patient Nummer 5, meint der OA zu mir in witzelndem Tonfall: „Also wenn das so bleibt, musst du die Station schmeißen“. „Ja, klar“, meine ich darauf.

Wir machen weiter mit der Visite und man merkt, dass es der AA langsam aber sicher schlechter geht. I. (der OA) zieht seine Konsequenzen und verdonnert sie zum Fieber messen. 39°C trotz Paracetamol. Das heißt ab nach Hause.
Zusammen schreiben wir noch schnell eine ToDoListe für mich und ich bekomme ne Liste mit ein paar Funknummern. Auf dem Weg nach draußen drückt sie mir noch ihren Funk in die Hand und mein Schicksal ist besiegelt.
Ich weiß nicht ob ich einfach mal kurz in Panik geraten oder mich geehrt fühlen soll, dass man mir das zutraut.

Wie auch immer, für emotionale Ausbrüche ist keine Zeit, ich bin nämlich ohnehin viel zu spät dran für die Mittagsfortbildung. Deswegen muss ich mich auch vor versammelter Mannschaft in den Hörsaal schleichen. PEINLICH!
Noch peinlicher ist allerdings, dass der Funk natürlich genau in der Sekunde losgeht, nachdem ich mich hingesetzt habe. Also muss ich wieder an allen vorbei nach draußen und darf mich ans Telefon hängen.
„Hier spricht Blupp von der Krankenversicherung Bla. Es geht um den Rehaantrag von Herrn V. ...“. Ach du je (je bitte mit einem beliebigen Ausdruck ersetzen der großen Unmut ausdrückt). Woher soll ich das denn bitte wissen??? Ob und wie viel Rehapotential da noch vorhanden ist, ob der nicht direkt nach Hause kann, ob er in eine Übergangspflege muss. Schlussendlich erkläre ich der Dame, dass ich der Ansicht bin, dass der Patient unbedingt nach den 6 Wochen in der Klinik in eine Reha muss und sie doch bitte alles weitere mit meiner Kollegin besprechen soll, die sie zurückrufen wird.

Während ich am Telefon hing, hat die Mittagsfortbildung ein Ende gefunden und alle sind in Richtung Kantine gelaufen. Praktischerweise fehlt mir momentan noch ziemlich die Orientierung hier im Spital, was bedeutet: wenn ich jetzt den Anschluss verliere, dann finde ich weder was zum Essen (zu überleben) oder die Station wieder (vielleicht etwas ungut...).
Also lege ich einen kleinen Sprint in die hoffentlich richtige Richtung ein und renne beinnahe in den Leitenden Arzt. Ein Glück ist der freundlich...

Nach einem schnellen Mittagessen geht es zurück auf Station und ich muss das Tagesgeschäft schmeißen.
Ich sag‘s euch... Ich hab Innere Medizin echt gern gelernt, es hat mir Spaß gemacht und mich interessiert das Fach wirklich. Aber trotzdem wurden mir manchen Lücken doch schmerzlich bewusst.
Zum Beispiel hatte ich einen Patienten auf Station, dessen Blutzucker bei einem bekannten Diabetes entgleist ist. Soweit so schlecht. Da rattert dann das was man in Innere gelernt hat im Hirn und man stellt nach einem Blick auf seine Medikation fest: der Mann braucht mehr Insulin. Nur wie viel? Zu wenig und der Blutzucker bleibt weiterhin deutlich zu hoch. Zu viel und ich sorge dafür dass er in die Hypoglykämie rauscht. Beides nicht wünschenswert. Oder reicht es doch einfach nur das Nachspritzschema anzupassen?? Die Medikamente kenne ich ja alle, genau wie die Grundlagen der Diabetestherapie, aber Dosen haben wir an der Uni nicht gelernt...
[Für die Nichtmediziner: Zuckerkranker Patient mit viel zu hohem Blutzucker. In dem Fall hat er mehr Insulin gebraucht. Im Prinzip ne einfache Sache, aber die Dosis muss stimmen, sonst ist der Blutzucker entweder weiter zu hoch (=ungesund bis gefährlich) oder viel zu niedrig (genauso ungesund und gefählich...)]

Ein anderer Patient war mit Marcoumar bei Vorhofflimmern oral antikoaguliert [Marcoumar ist ein Medikament, das die Blutgerinnung hemmt. Bei Vorhofflimmern (eine unkoordiniertes, nicht rhythmisches Schlagen der Vorhöfe) kann es zur Bildung von Blutgerinnseln kommen, die auch mal ins Gehirn schießen können (Schlaganfall...). Um das zu vermeiden wird die Gerinnung gehemmt.] außerhalb des Zielbereichs. Bei dem Laborwert war mir auch klar: Dosis muss gesteigert werden. Aber auch hier wieder das Problem: wie viel denn bitte???

Glücklicherweise war der Oberarzt im Hintergrund immer zu erreichen und anscheinend waren meine Fragen gar nicht so bescheuert wie sie mir vorkamen. Klinische Routine lernt man halt einfach nicht aus dem Lehrbuch...

Die Pflege war jedenfalls happy mit mir (musste ja auch die nachmittägliche Kardexvisite abhalten), die Fragen der Konsiliarärzte konnte ich beantworten und der Funk hat nur noch wegen machbaren Fragen geklingelt.
Mein Anpassungsvorschlag für die Schmerztherapie einer Tumorpatientin wurde ohne Beanstandung abgenickt (ich hab das erste Mal einfach so Opiate verordnet! Kein Abzeichnen, nichts!) und den Austrittsbericht für den anderen Patienten habe ich auch fertig gemacht.
Fazit: Zwischenzeitlich hatte ich immer mal wieder den Drang meinen Kopf ins Klo zu halten und einfach auf die Spülung zu drücken. Aber irgendwie ging‘s! Ich war echt den ganzen Tag am Schwimmen und am Nachschlagen, aber ich hab‘s trotzdem gemeistert und da bin ich echt stolz drauf! Aber so kaputt war ich nach einem Tag Klinik schon lang nicht mehr und den Funk abzugeben, war sowieso das beste Gefühl des Tages.

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